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Webentwickler im Iran zum Tode verurteilt, Haftstraften gegen Blogger weltweit gang und gäbe

Der Oberste Gerichtshof im Iran hat am Wochenende das Todesurteil gegen einen iranischen Webentwickler aufrechterhalten. Saeed Malekpour, der in Kanada einen ständigen Wohnsitz hat, befindet sich im Iran seit drei Jahren in Haft, weil er eine Software programmiert hatte, mit der sich Bilder ins Internet hochladen lassen. Er wurde 2008 bei der Einreise verhaftet, als er seine Familie im Iran besuchen wollte. Der Vorwurf lautet auf Pornografie. Malekpours Software wurde ohne sein Wissen von einer Pornowebsite zum Datei-Upload verwendet. Unter der Androhung von Folter musste er vor laufender Fernsehkamera aussagen, dass seine Software von allen pornografischen Webangeboten benutzt würde. Staatliche Medien nennen ihn seitdem den „Kopf des größten persischsprachigen Pornografienetzwerks“.

Wie der „Standard“ auf die Idee kommt, dass Malekpour ein Blogger ist, weiß ich zwar nicht. Aber der Vorwurf kommt nicht von ungefähr. Weltweit sitzen Blogger in Haft. Hier nur die prominentesten Fälle der letzten Monate.

  • In Ägypten befand sich der oppositionelle Politiaktivist und Blogger Alaa Abd al Fattah seit Oktober 2011 in Haft, dem die neue Miltärregierung unter anderem den Diebstahl von Militärwaffen oder Angriffe auf Militärangehörige vorwarf. Er wurde Weihnachten aus der Haft entlassen, wird aber weiterhin überwacht und darf das Land nicht verlassen. Ihm droht nach einem bald anstehenden Prozess weitere Haft.
  • Ebenfalls nach Kritik gegen die Militärregierung wurde der ägyptische Blogger Maikel Nabil Sanad Mitte Dezember zu zwei Jahren Haft verurteilt. Amnesty International setzt sich für seine Freilassung ein.
  • In Thailand wurde der US-Bürger thailändischer Herkunft, Joe Wichai Commart Gordon zu fünf Jahren Haft verurteilt. Er hatte Teile einer nicht autorisierten, kritischen Biografie über das Königshaus übersetzt und in seinem Blog veröffentlicht. Majestätsbeleidigung gilt in Thailand als Straftat.
  • Vergleichsweise glimpflich kam der Kreml-kritische russische Blogger Alexej Nawalny davon. Er wurde nach Protest gegen Ministerpräsident Wladimir Putin nach zwei Wochen wieder auf freien Fuß gesetzt.
  • Ähnlich erging es der syrischen Bloggerin Razan Ghazzawi. Sie befand sich 15 Tage in Haft. Ihr erst 17-jähriger Landsmann Tal al-Mallouhi kam weniger glimpflich davon: Er wurde im vergangen Mai zu 15 Jahren Haft verurteilt.
  • Nach Abbüßung seiner Haftstrafe Ende 2010 wurde der 60-jährige vietnamesische Blogger Nguyen Hoang Hai in seinem Heimatland nicht aus der Haft entlassen. Er hatte friedlich gegen die Regierung protestiert und einen Verein freier Journalisten gegründet.
  • Vergangenen August wurde ebenfalls in Vietnam der Mathematiklehrer Pham Minh Hoang zu drei Jahren Haft und drei Jahren Hausarrest verurteilt, nachdem er in seinem Blog gegen Korruption, Umweltzerstörung und die vietnamesische Regierung an geschrieben hatte.
  • Im Iran befindet sich aktuell der Spieleentwickler Amir Mizra Hekmati in Haft, der zugeben musste, das Land für die CIA ausspioniert zu haben. Der US-Iraner mit doppelter Staatsbürgerschaft wurde zum Tode verurteilt.
  • Global Voices meldet drei Rekordstrafen gegen Blogger im Iran: Sakhi Rigi wurde zu 20 Jahren Haft verurteilt, Hossein Derakhshan zu 19,5 Jahren, Hossein Rongahi Maleki zu 15 Jahren.
  • Ein schlechtes Land zum Bloggen scheint auch Bahrein zu sein. Dort wurden unter anderem die Politblogger Ali Abdulemam und Abduljalil Al-Singace zu je 15 Jahren Haft verurteilt. Zakariya Rashid Hassan Al-Ashiri starb vergangenen April in Haft.

Die Liste ließe sich noch um so manches Land und so manchen Blogger oder Programmierer erweitern. Im Iran befindet sich etwa auch der Website-Administrator Ahmad Reza Hashempour in Haft.


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(Jürgen Vielmeier, Bild: United4Iran)

Über den Autor

Jürgen Vielmeier

Jürgen Vielmeier ist Journalist und Blogger seit 2001. Er lebt in Bonn, liebt das Rheinland und hat von 2010 bis 2012 über 1.500 Artikel auf BASIC thinking geschrieben.

14 Kommentare

  • Natürlich macht einen die Ohnmacht erstmal sprachlos, wenn man sieht daß immer noch Menschen mit dem Tod bedroht oder eingesperrt werden weil sie ihre Meinung kundtun.
    Andererseits sind es doch wir die mit Menschenrechts verachtenden Regierungen Geschäfte machen. Die dort derzeit Mächtigen haben ihre Kohle und damit einen Teil ihre Macht von uns, den nennen wir uns mal „den sogenannten demokratisch-marktwirtschaftlich orientierten Gesellschaften“ 😉 .
    Mein Vorschlag zur Besserung: Keine Geschäfte mit Menschenrechtsverletzern! HUMANITÄRE HILFE – Ja, WAFFEN und DOLLAR – Nein, TECHNIK – begrenzt, BILDUND – soviel halt geht – das sollten Anhaltspunkte im Denken unserer Regierungen sein. Oder Kürzer: Etwas Verantwortung auf unserer Seite dafür was mit dem Geld geschieht, welches wir überweisen.
    Ich glaub, sowas könnte Helfen.

    An CHRIS, der da schrieb: „Kranke Welt“ – Du bist Teil davon, – du armer Kerl !

    Grüße !

  • Ok, bleiben wir dann konsequent und nennen Beispiele aus dem Westen:
    http://www.tagesschau.de/ausland/facebook232.html
    Zwei Briten, die auf Facebook zu Krawallen aufgerufen hatten, müssen nun nachsitzen: vier Jahre Haft.

    Bei allem Mitleid zu den Bloggern aus dem Fernosten, wenn sie gegen die Regierung aufrufen, sind ihnen die Folgen bekannt.

    Und ganz skeptisch bin ich, dass alles tatsächlich so ist, wie es in westlichen Medien dargestellt wird. Wollt ihr ein Beispiel? Bitte schön.

    „Kreml-kritische russische Blogger Alexej Nawalny davon. Er wurde nach Protest gegen Ministerpräsident Wladimir Putin nach zwei Wochen wieder auf freien Fuß gesetzt“
    – erstmal, die Protesten fanden nach den Duma-Wahlen statt. Mit Putin hat es nichts zu tun.
    – zweitens, der Nawalny hat die Protestierenden zum Agriff des Staatsgebäudes geführt, weswegen er verhaftet wurde. Und 15 Tage hinter Gittern dafür sind nichts.

    Überlegt euch mal, was die deutsche Polizei mit dem Typen machen würde, der eine Volksmenge zum Zerstören des Reichstags aufruft 🙂

  • Einfach nur übel, was Menschen dazu treibt, zum einen Leute zu foltern und sie dann so in den Medien darstellen zu lassen. Was hat der Iran denn davon? ich kapiers nich.
    Menschen, die durch das Internet und ihre generelle Position viel Macht über das Denken, Verstehen und Handeln vieler Personen haben, laufen immer Gefahr, Opfer ihres Landes zu werden, wenn dieses eine bestimmte, nich gern gesehene politische richtung fährt und wenn sie gegen dieses wettern könnten. Das ist traurig, aber leider Alltag. Das passiert nicht nur Bloggern, auch Facebook Usern und Journalisten 🙁

  • Ich bin immer wieder entsetz von so etwas zu hören. Warum muss es denn so viel ungerechtigkeit auf der Welt geben. Leider kommen viel zu selten solche dinge überhaupt bei uns an. Wie hoch mag wohl die wirkliche dunkelziffer zu diesem Tema sein.

  • Vielen Dank für diese umfassende Liste (des Schreckens)! Es ist wichtig, dass sich die Blogsphäre und andere Web-Schreiberlinge über diese Schandtaten weiter auf dem Laufenden hält, denn nur so können wir (zumindest etwas) Bewusstsein in der Öffentlichkeit schaffen. Wie ich gestern gehört habe, gibt es wohl schon wieder einen Fall im Iran, wo ein Reiseblogger angeklagt wird… es ist einfach nur zum K*tzen!