Sonstiges

Das langsame Sterben der Anti-Facebooks: Anybeat und Unthink geben auf

Unthink

Heute Vormittag las ich die Nachricht, dass Anybeat schließt. Die wenigsten von euch werden davon gehört haben, aber wir haben das Thema eine Zeitlang durchaus interessiert verfolgt. Denn, erinnert ihr euch noch? Es ist gerade mal ein Jahr her, als Facebook massiv in der Kritik stand, sich nicht bewegen wollte, mit den Nutzerdaten Monopoly spielte. Es zeichnete sich da schon ab, dass der Open-Source-Konkurrent Diaspora da nicht würde gegenhalten können. Der Ruf nach einem neuen, sauberen Facebook wurde lauter.

Und das bekamen wir im vergangenen Jahr gleich mehrfach. Anybeat war meines Wissens der erste, der sich nach Diaspora klar als Facebook-Alternative aufstellen wollte. Daher auch der ursprüngliche Name Alt.ly, der wenig später geändert wurde. Es folgten im Laufe des Jahres noch weitere Alternativen: Subjot und Unthink aus den USA, Heello von Twitpic-Gründer Noah Everett – und Google Plus. Letzteres dürfte dafür gesorgt haben, dass den Facebook-Alternativen nach und nach die Puste ausging. Unthink und Subjot haben mittlerweile aufgegeben.

Unthink dürfte vielen von euch noch durch ein spektakuläres Werbevideo (oben) ein Begriff sein. Eine junge Frau, die auf der Straße dumm von zwei Typen angemacht wird, die Facebook und Google darstellen sollen. Mit einem neuen Netzwerk wollte sie die Tyrannei der Datenhändler beenden. Die Presse war begeistert. Als ich allerdings gerade noch einmal nach Unthink suchte, war das schöne Webdesign von einst nicht mehr zu finden. Jetzt prankt dort ein abgewandeltes Baustellen-Zeichen (unten). Die Seite ist offenbar verkauft worden. Still und heimlich wurde das Anti-Facebook wohl schon im Januar wieder abgeschaltet, ganze drei Monate nach dem Start – und keiner hat’s gemerkt. Gefunden habe ich dazu nur eine kleine Meldung in einem Technikforum. Die große Technikpresse, die ansonsten im Gleichklang eigentlich um keine Meldung verlegen ist, hatte es schlicht ignoriert, vergessen oder einfach nicht mitbekommen.


Neue Stellenangebote

Growth Marketing Manager:in – Social Media
GOhiring GmbH in Homeoffice
Senior Social Media Manager (m/w/d)
Müller Holding GmbH & Co. KG in Ulm-Jungingen
Content & Community Manager (m/w/d) Social Media
AS Arbeitsschutz GmbH in Bedburg-Mühlenerft bei Köln

Alle Stellenanzeigen



Subjot ereilte bereits im Januar das gleiche Schicksal. Die Seite ist aktuell nicht mehr zu erreichen, das Projekt faktisch tot. Anybeat soll in zwei Wochen abgeschaltet werden. Die Website wurde an ein anderes Unternehmen verkauft, Gründer Dmitry Shapiro wechselt zu Google Plus und soll dort eine leitende Position übernehmen.

Scharfrichter Google?

Everetts Heello ist noch immer auf dem gleichen Stand wie in der geschlossenen Beta-Phase vergangenen Herbst – scheint also nicht wirklich durchgestartet zu sein. Die einzige halbe Erfolgsstory dieser Generation könnte das inzwischen mehrfach überarbeitete Projekt Chime.in von Twitter-Client-Anbieter UberMedia sein. Das hat offiziell nach eigenen Angaben immerhin 7 Millionen Nutzer und stellt sich mittlerweile als Web Curation Service auf, ähnlich wie das Anfang des Jahres hochgehypete Pinterest. Allerdings finden sich auch bei jedem Chime.in-Themenkanal oft weniger als tausend Interessenten; die neuesten öffentlichen Diskussionen sind meist schon ein paar Tage alt.

Was ist da los? Wir wollten Facebook-Alternativen, haben einige bekommen und jetzt ist es auch wieder nicht gut? Ich glaube, die Gründe liegen anderswo: Unsere Social-Media-Zeit ist begrenzt. Niemand hat Lust, auf gleich fünf Kanälen alles mannigfaltig über sich zu erzählen und mit anderen Menschen in Interaktion zu treten. Ob sich wirklich eine soziale Müdigkeit eingestellt hat, wie ich vergangenen Sommer behauptet habe, weiß ich nicht. Fakt ist aber, dass Social Networks inzwischen Alltag sind, Facebook viel dafür tut, seine Nutzer zu binden und Google Plus aus allen Rohren feuert, um für Aufmerksamkeit zu sorgen. Den Nutzern ist das wirtschaftliche Interesse der Social Networks egal. Man ist eben dort, wo die Freunde sind. Und das waren die meisten von ihnen bei Unthink oder Anybeat ganz einfach nicht.

Hat die Konkurrenzsituation trotzdem etwas bewirkt? Ich würde sagen: Auf jeden Fall. Facebook bewegt sich mittlerweile leicht unter dem Druck der Datenschützer und der Konkurrenzsituation durch neue Features auf Google Plus. Weitere Möglichkeiten, noch dazu in der Breite, werden nicht mehr benötigt. Martin Weigert schrieb kürzlich auf Netzwertig, die Blase, die zweifellos da ist, werde diesmal nicht mit einem lauten Knall zerplatzen. Viele einst gehypete Startups ohne Monetarisierungsmodell würden einfach still, heimlich und leise von der Bildfläche verschwinden. Im Falle von Anybeat und Unthink ist das jetzt passiert.

(Jürgen Vielmeier)

Über den Autor

Jürgen Vielmeier

Jürgen Vielmeier ist Journalist und Blogger seit 2001. Er lebt in Bonn, liebt das Rheinland und hat von 2010 bis 2012 über 1.500 Artikel auf BASIC thinking geschrieben.

19 Kommentare

  • Bei sozialen Netzwerken sind die direkten Netzeffekte, also die Anzahl der User, einfach derart wichtig, dass sich auf Dauer nur ein Anbieter (Facebook) durchsetzen wird. Es gibt kaum Anreize ein anderes soziales Netzwerk zu nutzen, außer eben der Datenschutz. Aber wenn man dann mit 2 anderen Freunden in einem anderen ist, ist der Nutzen gleich Null. Ich finde du hast das sehr gut beschrieben, dass die kurzzeitige Konkurenz zumindest den Vorteil hatte, dass sich Facebook etwas anpasst. Aber wenn man mal ehrlich ist, weiß doch kein Mensch in unserer Generation mehr, wo unsere Daten überall sind und was damit angestellt wird. Deshalb finde ich auch, dass man zwar die Augen offen halten sollte, aber das Thema Datenschutz nicht übertreiben muss.

  • Ich denke es kommt auf das Netzwer an wie es aufgebaut ist. G+ und fb sind komplett anders. So hat man bei G+ viel Spass auch wenn nur wenige Freunde da sind. Wenn man zudem diverse Interessen hat denen man im Netzt nachgehen kann, dann ist Google+ definitiv die bessere Wahl.

    fb ist um mit Freunden in Verbindung zu bleiben.
    G+ ist um den eigenen Interessen im Netzt nachzugehen.

  • @1 Moritz schrieb
    „Bei sozialen Netzwerken sind die direkten Netzeffekte, also die Anzahl der User, einfach derart wichtig, dass sich auf Dauer nur ein Anbieter (Facebook) durchsetzen wird. Es gibt kaum Anreize ein anderes soziales Netzwerk zu nutzen, außer eben der Datenschutz…..“

    Das ist Richtig , es bräuchte lediglich „freie“ Schnittstellen zur Benutzung für in allen sozialen Netzwerken, dann könnte es einen „echten“ freien Wettbewerb geben. Nur leider werden diese ohne eine gewisse staatliche Reglung nicht kommen und somit alles auf ein Monopol hinauslaufen.
    Man stelle sich vor es gebe auch in den Handynetzen keine Schnittstellen oder Regulierungen und sie wären untereinander nicht Kompatible.
    Es bliebe also die Wahl ständig 5 Geräte mit sich zu tragen um in allen Netze telefonieren zu können oder was wahrscheinlicher wäre ein Anbieter hätte sich Durchgesetzt und nun das Handy Monopol.
    So ist die Situation leider momentan bei den Sozialen Netzwerken und wenig Hoffnung das sich etwas Ändert, da der Börsengang das Monopol noch „Zementiert“, indem es quasi öffentlich und rechtlich anerkannt wird.

  • Ich habe schlichtweg nicht die Lust und die Zeit, mich parallel in mehreren Netzwerken zu bewegen. Habe das eine Zeit lang mitgemacht (StudiVZ, WKW und Facebook) – dann hat sich Facebook langsam durchgesetzt. Wäre natürlich klasse, wenn die Netzwerke untereinander kompatibel wären und man wählen könnte, über welches Interface man mit seinem Profil aktiv werden möchte.

    Auch ich glaube leider nicht, dass das jemals passieren wird.

  • Das Unthink & Anybeat nach einer Weile dicht machen würden, war mir im Vorfeld schon klar. Jetzt mal ehrlich: Wer will sich denn bei noch einem weiteren amerikanischen Unternehmen registrieren, welches wieder nur auf meine Daten scharf ist & alles nur oberflächlich schön & sinnvoll erscheint?

    Die Leute heutzutage gehen tiefer, brauchen etwas, wo immer was passiert, wo sie „gaffen“ können & was los ist. Momentan ist das natürlich Google+ & Facebook- aber wenn sich dort an der Wertigkeit & am „Ich-Schutz“ nichts tut in den nächsten Jahren wird man sich wieder nach anderen, soliden Ideen „sehnen.“

    Das StudiVZ starb(stirbt-im Sommer im ja bekanntlich Re-Lauch;-), weil sie nicht mit der Zeit gingen & sich verändern wollten. Das muss man aber nicht verallgemeinern!

    Ich finde es definitiv falsch, wenn man sagt, dass man mit einer zündenden Idee gegen die Riesen Facebook & Google+ überhaupt keine Chance hat!

    Die Welt lebt von ständiger Veränderung & Neu-Orientierung! Nur die 2 können niemals alles bieten- auch wenn sie noch so viel Geld haben & sich alles zusammenkaufen- irgendwann übersättigt auch sowas & man kehrt zurück zum Ursprung, zu den einfachen & „wichtigen“ Dingen…

  • Ihr wollt Facebook-Alternativen?
    Da wächst grade etwas viel besseres, sehr vorzügliches, ganz leise und solide: Friendica.
    Die Community ist extrem bodenständig und hilfreich, das kleine Entwicklerteam einfach umwerfend freundlich und zugänglich.
    Friendica ist ein dezentrales soziales Netzwerk bei dem Privatsphäre groß geschrieben wird. Jeder kann seinen eigenen Server betreiben und mit Nutzern auf allen anderen Servern interagieren.
    Zeitgemäß und visionär zugleich.
    http://friendica.com

  • Es wird nie was anderes geben wie Facebook. Genau so wie die Welt keine andere Suchmaschine als Yahoo braucht.
    Was soll denn nach Yahoo und altavista noch kommen?

  • „Es gibt kaum Anreize ein anderes soziales Netzwerk zu nutzen, außer eben der Datenschutz…..”
    Grüße

  • Diaspora* und Friendica wuerde ich persoenlich nicht einfach abschreiben. Da scheint es eine aehnliche Dynamik wie bei Betriebssystemen zu geben –> Zwei grosse Anbieter, die die Marktmacht halten und die OpenSource Alternative in deren Schatten. Und So wie Linux immer populaerer wird glaube ich, dass die OpenSource/dezentralen Netzwerke auch irgendwann populaerer werden.
    Hab aber keine Ahnung wie lange das dauert ^^

  • @Olli – bestimmt ist Friendica eine tolle Sache, allerdings ist der Look defnitiv von vorgestern und macht überhaupt keine Lust sich auf der Seite umzuschauen…

  • Der Normaluser, der nicht total internet- und computeraffin ist, kriegt von sowas überhaupt nichts mit. ICH hab davon überhaupt nichts mitbekommen. Dabei hab ich noch vor ein paar Wochen zu einem Freund gesagt, als wir uns über die Datenschutzverletzungen bei Facebook austauschten: Warum gibts nicht ne Alternative, die sorgsamer mit ihren Usern umgeht?

    Tja, stell dir vor es gibt ne Alternative und keiner ergreift sie. Krass.

  • Facebook wird einfach das soziale Netzwerk Nummer 1 bleiben und fertig. Das ist wie bei Google und Microsoft. Auch wenn ich glaube, dass der größte Facebook Boom bereits schon langsam wieder vorbei ist. Aber ich bin mal gespannt wie es weiter geht.

  • @Henric
    bei friendica hast du als user die wahl zwischen verschieden themes/templates (derzeit 16). unter http://www.kirgroup.com/gallery.php findest du eine gallerie mit den derzeitgen themes… wem das nicht reicht, der kann auch selbst eines seinen bedürfnissen anpassen oder gar ein neues erstellen und das benutzen… wer friendica ausprobieren möchte kann dies unter http://www.tryfriendica.de tun… accounts dort werden alle 7 tage gelöscht. weitere infos zu friendica findet ihr unter http://www.friendica.com … beste grüße

  • Tatsache, ich habe von diesen Plattformen noch nie etwas gehört. Das lief warscheinlich auch nur in den USA eine zeitlang so. Aber diese Panik um Datenweitergabe und Speicherung durch facebook besteht doch immer noch. Und trotzdem bestehen noch so viele Konten… wenn die Leute Angst haben, dann sollten sie social networking plattformen einfach meiden.

  • facebook hat sich auf seine Nutzer zubewegt seitdem es alternative Netzwerke gibt? Wo denn bitte? AGB`s werden geändert wie fb das möchte, denn abgestimmt wird auf einer Seite welche von 2% aller Nutzer ein like bekommen hat, geändert werden muß erst etwas wenn 70% der Nutzer sich dort dagegen äußern! Also wenn man die nutzlosen mündlichen Erklärungen von fb nach jedem Skandal weglässt, ist rein gar nichts passiert.
    Mag sein dass man bei anderen Seiten häufig auch nicht gleich weiß, was mit den eigenen Daten wirklich passiert. Der Unterschied ist allerdings dass man dort sobald man es weiß dagegen vorgehen kann und nicht vorher selbst so blöd war, AGB`s abzusegnen welche so etwas erlauben bzw. absichtlich extrem schwammig formuliert wurden.
    Wer da noch vor dem löschen ewig rumjammert oder auf Lösungen durch die Politik wartet dem ist ansich auch nicht mehr zu helfen!
    „Wenn die Leute Angst haben“, dann sollten sie vor einer Anmeldung die AGB`s lesen oder in unabhängigen Foren nach einer Zusammenfassung und Auswertung suchen!
    Da gibt es ein passendes Zitat zu dem Ganzen: „Jede Gesellschaft bekommt die Revolution die sie verdient.“