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Online-Werbewirtschaft will sich künftig selbst regulieren – bevor es jemand anderes tut

Unter dem Akronym DDOW (Deutscher Datenschutzrat Online-Werbung) hat nun die Organisation ihre Arbeit aufgenommen, mit der sich die Werbewirtschaft selbst regulieren möchte. Grundsätzlich begrüßenswert, aber jetzt auch nicht wirklich revolutionär.

Sichtbarstes Element dieser Initiative ist bislang ein einheitliches Piktogramm im Werbemittel, das Nutzer darauf hinweisen soll, dass nutzungsbasierte Werbung eingesetzt wird. Über einen Klick auf das Piktogramm soll man erfahren können, welcher Dienstleister hinter der Erhebung und Nutzung von Daten steht. Unter www.meine-cookies.org soll sich zudem zentral steuern lassen, ob und wie Cookies eingesetzt werden. Unter den dort verzeichneten Anbietern finden sich auch Schwergewichte wie AOL, Google, Microsoft Advertising und Yahoo!, bei denen man mit einem Klick Cookies für nutzungsbasierte Werbung deaktivieren kann. Ziemlich praktisch.

Und wer noch immer nicht zufrieden ist, kann sich über einen Werbeanbieter beschweren und es wird bei einem Verstoß ein „verbindliches Sanktionsverfahren“ eingeleitet, so DDOW-Sprecher Matthias Wahl. Was die Sanktionen genau sind, bleibt jedoch offen.

Ich regulier‘ mich selbst, bevor es jemand anderes tut

Mit der neuen Organisation unter dem Dach des Zentralverbands der deutschen Werbewirtschaft (ZAW) will man zum Einen das etablierte System der Selbstregulierung um eine digitale Komponente erweitern, zum Anderen aber nicht zuletzt gesetzlichen Regelungen zuvorkommen, die im Zweifel vermutlich deutlich schärfer ausfielen.

Genau das kritisiert Markus Beckedahl, Vorsitzender des Vereins Digitale Gesellschaft e. V., an der Initiative, die er als „Greenwashing“ bezeichnet und die im nicht weit genug geht. Konkret wird er bei seinen Forderungen, was verbessert werden sollte, allerdings nicht.

Deutschland ist beim Datenschutz Spitzenreiter

Mir persönlich geht diese Datenschutz-Diskussion mittlerweile auf die Nerven. Sicher, meine Kreditkartendaten und meine Krankenakte möchte ich lieber für mich behalten, aber mir ist ziemlich egal, ob jemand meine E-Mail-Adresse kennt, oder weiß, dass ich letzte Woche Pizza Quattro Stagioni bestellt habe. Schließlich schaue ich mir lieber Pizza-Werbung in meiner Nähe an, als Werbung für einen Rasenmäher, den ich mangels Garten nicht brauchen kann. Und Werbung gehört im Internet nun mal dazu, dafür zahlen wir für die Dienste von Facebook, Google & Co. eben auch nichts.

Ganz abgesehen davon ist der deutsche Datenschutz im internationalen Vergleich Spitzenreiter, was manche auch als Grund für die schwächelnde Digitalisierung unseres Landes ansehen. In den USA wird der Verpixelungswahn der Deutschen bei Google StreetView jedenfalls ziemlich belächelt – meiner Meinung nach ganz zu Recht, denn bei der Einführung von Bing Streetside hat außer den Datenschützern nämlich kein Hahn mehr gekräht.

Der DDOW wird an der restriktiven Einstellung der Deutschen zum Datenschutz aber vermutlich kaum etwas ändern, auch wenn die Idee hinter der Selbstregulierung zunächst begrüßenswert ist. Doch dürften die Meisten davon wohl ohnehin überhaupt nichts mitbekommen – entweder aufgrund von AdBlockern, die Werbemittel eh verhindern oder weil man ein Banner sicherlich nicht noch nach irgendwelchen Piktogrammen absucht und aus Neugier draufklickt. Im Zweifel klickt man daneben und kauft doch noch den Rasenmäher.

Interessant ist, wie die EU auf die Initiative reagieren wird, schließlich hat sie im letzten Jahr noch kritisiert, dass die Werbeindustrie die EU-Vorgaben nicht genügend einhalten würde. Ob sich die Datenschützer mit der neuen Initiative zufrieden geben werden, ist noch unklar.

Bild: DDOW

Über den Autor

Robert Vossen

Robert Vossen hat erst Los Angeles den Rücken gekehrt und dann leider auch BASIC thinking. Von 2012 bis 2013 hat er über 300 Artikel hier veröffentlicht.

11 Kommentare

  • Ach, Robert … ich weiß nicht, ob ich über deinen Eintrag lachen oder weinen soll.

    Heute (du so, Zitat): „Mir persönlich geht diese Datenschutz-Diskussion mittlerweile auf die Nerven. Sicher, meine Kreditkartendaten und meine Krankenakte möchte ich lieber für mich behalten, aber mir ist ziemlich egal, ob jemand meine E-Mail-Adresse kennt, oder weiß, dass ich letzte Woche Pizza Quattro Stagioni bestellt habe. Schließlich schaue ich mir lieber Pizza-Werbung in meiner Nähe an, als Werbung für einen Rasenmäher, den ich mangels Garten nicht brauchen kann. Und Werbung gehört im Internet nun mal dazu, dafür zahlen wir für die Dienste von Facebook, Google & Co. eben auch nichts.“

    Vor ein paar Tagen in diesem Blog (Jürgen Vielmeier, Zitat aus https://www.basicthinking.de/blog/2012/06/07/schufa-will-das-social-web-durchleuchten-bitte-was/): „Mir platzt nämlich gerade der Kragen. Nicht genug damit, dass ein einzelnes privatwirtschaftliches Unternehmen uns alle katalogisiert. Bald könnte es so aussehen, dass ihr keinen Mobilfunkvertrag mehr bekommt, weil ihr in der falschen Gegend wohnt oder mit Menschen ohne Ralph-Lauren-Shirt verkehrt. Selbst wenn ihr immer pünktlich eure Rechnungen bezahlt habt. Das ist nichts weniger als ein Skandal, eingetütet in hübsche Floskeln. Es reicht. Sagt es weiter, protestiert, empört euch, damit diesem Spuk sofort ein Ende gesetzt wird!“

    Könnt ihr euch mal entscheiden? Seid ihr jetzt für oder gegen den Datenschutz?

    Und, BTW, Datenschutz ist mehr als nur Rasenmäher-Werbung. Deine Aussage „Pizza ja, Krankenakte nein.“ ist unhaltbar – sofort einsehbar, wenn du dich mal in die Tiefen der Datenschutzdiskussion begeben würdest. Denn den Datenkraken ist diese Unterscheidung piepegal. Die nehmen alles von dir, was sie kriegen können. Wer anderes glaubt ist naiv und wer das Thema Datenschutz „nervig“ findet, handelt aus meiner Sicht fahrlässig.

    Gruß
    thSo

  • @thSo DANKE, du ersparst mir ne menge tipparbeit
    @Robert Vossen ???? wes brot ich ess, dess lied ich sing ????
    greetz
    AdV

  • Persönlich bin ich für so wenig Einmischung von seiten des Staates wie möglich, aber das eine Selbstregulierung nur Augenwischerei ist und nur dazu dient ein paar Gemüter zu beruhigen sollte klar sein.

  • Der Autor hat schon recht. Anonymisierte(!), nicht mit einer realen Person in Verbindung zu bringende Daten aus einem Cookie kann man definitiv nicht mit irgendwelchen personenbezogenen Daten (Krankenversicherung etc.) gleichsetzen. Nochmal zur Erinnerung: Wir sprechen hier zu keinem Zeitpunkt über Daten, die mir realen Personen in Verbindung gebracht werden können. Wenn Portale wie web.de dies tun würden (durch den Log-In-Prozess für diese und nur für diese realisierbar), dann würden wir wieder über ein anderes Thema diskutieren!

    Leider ist der Leidtragende dieser Diskussion am Ende aber der Qualitätsjournalismus, da ja jeder diesen kostenlos konsumieren aber nicht dafür bezahlen möchte. So wird die Frankfurter Rundschau nur der Anfang gewesen sein. Oder wir haben bald überall Bezahlschranken (wie bereits bei Welt Online geplant (und umgesetzt?)). Aber leider genügt scheinbar einem Großteil der Nutzer im Internet ja der Facebookstream für die Meinungsbildung…

  • Hallo Robert,
    bisher gefielen mir deine Beiträge meisten gut. Aber dieses Mal liegst du sowas von daneben.

    Kann es sein, dass Du von Datenschutz oder auch von Big Data-Analysen noch nicht soviel weißt?

    Ich greif einfach mal dein Pizza-Beispiel auf: Wenn man jemand weiß, was Du so zu essen einkaufst, dann weiß dieser aufgrund von Massenanalysen und Vergleichen noch eine gaaanze Menge mehr…

  • @thSO: Wir haben keine Meinungsvorgaben bei Basic Thinking, insofern kann es durchaus sein, dass Jürgen beim Thema Datenschutz eine andere Meinung hat als ich. Aus seinem Post geht aber auch hervor, dass er Google Streetview & Co. ähnlich unbedenklich findet.

    Auch habe ich glaube die Unterscheidung zwischen sensiblen und nicht-sensiblen Daten deutlich gemacht. Ein Cookie liest jedenfalls noch nicht die Daten meiner Krankenkassenkarte im Portemonnaie aus. Wenn eine Online-Apotheke seine Kunden- und deren Bestelldaten an Bayer verkaufen würden, dann hätten wir einen handfesten Datenschutzskandal. Bei Google, Facebook & Co. (also Daten, die ich im weitesten Sinne selbst veröffentliche) bin ich der Diskussion aber überdrüssig.

    @Carsten: Es ist durchaus legitim, eine andere Meinung zu haben. Ich verstehe aber nicht, warum man daraus gleich Unwissenheit des anderen ableiten muss. Zur Info: An der University of Southern California forschen wir auch an Big Data-Projekten, wo uns die Datenschutzvorkehrungen von Facebook „Schwierigkeiten“ machen, weil man hinter einer einer Profil-Wall (die ich übrigens auch eingerichtet habe) eben nichts analysieren kann.

    Abgesehen davon sind meiner Meinung nach Big Data und Personalisierung zwei komplett verschiedene paar Schuhe, denn bei Big Data interessiert dich die einzelne Person überhaupt nicht. Nur weil beide Analysen auf Daten basieren, sind sie noch lange nicht das selbe.

    Und natürlich wissen Google & Co. mehr, als dass ich Pizza bestellt habe. Aber wie Peter richtig feststellt, sind die Profile (noch) nicht mit Realdaten verknüpft. Ich habe jedenfalls noch keinen personalisierten Flyer für Pizza Quattro Stagioni im Postfach gehabt. Bevor es in die Schiene geht: Bei Payback & Co. ist ja wohl jeder selbst verantwortlich.

    Und die Frage ist ja: Was ist so schlimm daran, wenn jemand weiß, dass ich lieber die gelben M&M’s esse? Ich kann daraus keinen signifikaten Nachteil für mich erkennen.

    Und versetzen wir uns mal in die gute alte analoge Zeit zurück: Da hat sich auch kaum jemand beschwert, dass sein Name mit Adresse und Telefonnummer im Telefonbuch steht. Ist bei telefonbuch.de ja noch immer so. Also da hab ich ehrlich gesagt mehr dagegen, als dass jemand meine Einkaufspräferenzen kennt und als Profil mit meiner IP-Adresse verknüpft.

  • Werbeanbieter sind so leicht austauschbar das diese gar keine Skrupel haben dürfen, sonst sind sie vermutlich sehr schnell Pleite. Auf Daten zu verzichten die auch nur potentiell irgend wann mal relevant sein könnten, kann sich da mit Sicherheit keiner erlauben. Google will übrigens Versicherungen in Zukunft selbst vermitteln 180 Euro Provision pro Vermittlung ist da gar nicht so selten. Ich vermute das läßt sich leicht auf 300 Euro erhöhen wenn man potentiell Kranke die das Falsche gegoogelt haben oder sich mit dem Smartphone zu oft bei den falschen Ärzten aufgehalten haben abwimmeln kann.

  • Ich sehe ein, dass ich Steuern zahlen muss, wenn ich in einer funktionsfähigen Gesellschaft leben möchte, aber wie viel ich zahlen muss, würde ich lieber selbst regulieren…

  • …Und Werbung gehört im Internet nun mal dazu, dafür zahlen wir für die Dienste von Facebook, Google & Co. eben auch nichts… Wahre Worte, die aber viele Nutzer nicht nachvollziehen wollen.

  • Ach Leute…

    – Einwohnermeldeämter verkaufen eure realen Adressdaten an jede Firma oder Institution mit genug Geld und Interesse (z.B. GEZ)

    – Versicherungen gleichen Personendaten untereinander ab

    – Versandhäuser und Versicherungen profilieren euch aufgrund personenbezogener Daten (falsche Straße? Lieferung nur gegen Vorkasse – falsche Altersgruppe/Stadt/Geschlecht/PKW-Marke? x% Beitragsaufschlag etc.)

    – Firmen können eure Schufadaten abfragen, abgleichen und ändern

    …äh und ihr regt euch auf, weil Werbefirmen tracken, dass ihr die HalloPizza und Gayknuddelbär-App installiert habt?

    Die Adnetzwerke tracken und klassifizieren übrigens anonym (z.B. nach Gerät und nicht „Heiko Müller“) und versuchen lediglich, relevantere Werbung auszusteuern, die auch geklickt wird. Eigentlich eine Win-Win-Situation für die Werbewirtschaft und die Nutzer.