Für deutsche Start-ups regnet es derzeit Millionen über Millionen Euro. Die Investoren, die Wirtschaft und die Presse feiern die steilen Wachstumsquoten. Dass die Profitabilität dabei auf der Strecke bleibt, scheint egal zu sein. Ein Kommentar.
Das Jahr 2018 ist noch relativ neu und frisch; insofern ist es durchaus legitim, den Blick zurück auf 2017 zu werfen. Gegen Ende des Jahres nämlich wurden diverse Preise vergeben: Der Focus zeichnete das am schnellsten wachsende Unternehmen Deutschlands aus, Gründerszene präsentierte das Wachstums-Ranking.
Weil entweder die Bemessungskriterien oder aber die Bewerber sich unterschieden haben, gewannen Thermondo und Home To Go. Hut ab! Eine solch agile Organisation zu bauen, ist nicht leicht und verdient Anerkennung.
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Wer hingegen nicht prämiert wurde: Unternehmer, denen es gelungen ist, ein Unternehmen zu gründen, das vielleicht nicht exorbitant wächst, dafür aber profitabel ist.
Verfolgt man die Berichterstattung um Start-ups, scheint es nur ein Ziel zu geben: Kapital aufzunehmen. Eine Million, 20 Millionen, ja sogar 460 Millionen sind mittlerweile zu holen, wie es Auto1 unlängst demonstriert hat.
Institutionelle Investoren, zumeist Venture-Capital-Firmen, stellen Geld bereit, um vor allem Wachstum zu finanzieren. Sobald das Geld auf dem Konto ist, geht es nicht mehr darum, ein nachhaltiges Unternehmen zu bauen, sondern vornehmlich um kurzfristige KPIs: Wie viele neue Kunden haben wir? Wie teuer ist die Kundenakquise? Wachsen wir schnell genug? Wie viele Kunden verlieren wir im Monat? Wie lange bleiben Kunden?
Wenn Profitabilität egal ist
Alles Quatsch? Das Szenario ist durchaus überspitzt, aber eben nicht aus der Luft gegriffen. Fakt ist: Nie gab es in Deutschland so viel Risikokapital für technologiebasierte Startups wie 2017. Fakt ist auch, dass es bei den meisten Unternehmungen nicht darum geht, profitabel zu sein.
„In unserer aktuellen Phase geht es um Growth. Wir testen diverse Performance Marketing-Kanäle und schauen, was für uns am besten passt. Sobald wir das herausgefunden haben, wollen unsere Investoren die nächste Runde finanzieren. Damit wir schnell internationalisieren können. Das Thema Profitabilität hat in unseren bisherigen VC-Gesprächen überhaupt keine Rolle gespielt“, erzählt ein Gründer, dessen Unternehmen nicht, wie man denken möge, brandneu ist, sondern bereits 2016 an den Start ging und mittlerweile siebenstellig finanziert ist.
Dagegen ist auch nichts zu sagen. Investoren haben ein zentrales Interesse: Das Geld, das ihnen bereitgestellt wurde, mehren. Sie kaufen sich in Unternehmen ein und verkaufen diese Anteile möglichst gewinnbringend weiter.
Dabei verfolgen sie unterschiedliche Strategien: Die einen investieren in bestimmte Branchen, die anderen eher in gerade gegründete Unternehmungen.
Das verdrehte Weltbild der Start-ups
Was man aber sehr wohl kritisieren kann, ist die Art der Berichterstattung: Eine neue Finanzierungsrunde ist immer eine Nachricht wert – mittlerweile nicht mehr nur für die Branchendienste Gründerszene oder Deutsche Startups, sondern auch für Tageszeitungen und Wirtschaftsmagazine.
Nachhaltig geführte, gerne auch eigenfinanzierte Start-ups, die nicht exponentiell, dafür aber nachhaltig wachsen, fristen oft ein Schattendasein. Helden und Rockstars scheinen nicht diejenigen zu sein, die jeden Cent umdrehen, weil sie wissen, dass sie mehr einnehmen als ausgeben dürfen, weil sonst das ganze Vorhaben in Gefahr ist, sondern diejenigen, die gerade eine „fette Runde eingenommen“ haben.
Wenn man das zu Ende denkt und vielleicht ein wenig zuspitzt, dann gibt es nur einen Schluss: Da wächst eine Blase, die irgendwann platzen muss. Nicht weil zu viel Kapital im Umlauf ist. Und auch nicht weil die falschen Unternehmungen gefördert werden. Sondern weil das eigentliche Ziel von Unternehmern, nämlich Geld zu verdienen, keine Rolle spielt.
Nachhaltige Arbeit wird nicht honoriert
Und so geben sich die Investoren die Klinke in die Hand, Unternehmensbewertungen wachsen und wachsen – bis irgendwann das Unicorn vor der Tür steht. Und dann ist das Unternehmen „too big to fail“ und kann an die Börse gehen. Noch immer ist es irrelevant, ob es Geld verdient, oder nicht. Siehe Hello Fresh.
Geht es auch anders? Natürlich. Denken wir an Unternehmen wie mymuesli, Einhorn oder auch Visual Statements. Sie alle sind oder waren lange Zeit komplett eigenfinanziert, sind seit jeher profitabel und haben allesamt eins gemeinsam: Sie werden nach wie vor von ihren Gründern geführt. Teilweise seit über zehn Jahren.
Warum? Weil nachhaltiges Unternehmertum nicht mit dem Gründen und nicht mit dem Feiern der Gründerszene endet, sondern anfängt und sich vor allem dadurch auszeichnet, dass man keine Organisation baut, sondern eine Vision verfolgt. Und das sollte bei der all der Berichterstattung um Start-ups auch berücksichtigt werden. Diese Art von Unternehmern hätte auch einen Preis verdient.
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Wer sich auf eine Fremdkapitalfinanzierung einläßt, der zahlt m.E. nach einen sehr hohen Preis.
Er muß nämlich diese Jagd nach Wachstum mitmachen. Und wenn er nicht schnell genug profitabel wird, dann ist er auf die nächste Finanzierungsrunde angewiesen. Wenn die platzt, dann ist das Startup insolvent. Das führt zu dem wiederholten Phänomen, daß es erst „tolle Berichte“ zu neuen Startups gibt. Und etwas später folgt die Insolvenzmeldung.
Bei eigenkapitalfinanzierten Gründungen mag der Start schwieriger und zäher sein. Dann hat man vielleicht sogar Schulden und muß zusehen, wie man die langsam auf 0 bekommt. Aber sind die erst einmal weg, dann wird das spannend. Denn dann gehört einem das Unternehmen weiterhin zu 100 Prozent und finanziert den eigenen Lebensunterhalt.
Bei den fremdkapitalfinanzierten Gründungen mutieren die Gründer dagegen mit der Zeit zu Angestellten der eigenen Gründung. Die nun – aus welchen Gründen auch immer – auch abgesetzt bzw. entlassen werden. Spätestens dann mag der herausgekaufte oder gefeuerte Gründer zwar viel Geld haben. Aber aus seiner Gründung ist er draußen.
Persönlich fände ich letzteres in keinster Weise erstrebenswert.
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