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Kommentar: Warum wir selbst auch Schuld am Facebook-Skandal tragen

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Der Facebook-Skandal um Cambridge Analytica und die drei Schuldigen. (Foto: Pixabay.com / Simon)
geschrieben von Christian Erxleben

Mehr als eine Woche ist der Facebook-Skandal um veruntreute Nutzer-Daten nun schon alt und trotzdem kommen noch täglich weitere Details ans Tageslicht. Wir fassen die Ereignisse zusammen und erklären, warum weder Facebook noch Cambridge Analytica die alleinige Schuld tragen. Ein Kommentar.

„We have a responsibility to protect your information. If we can’t, we don’t deserve it.“ Mit diesem groß gedruckten Satz, einer ergänzenden Erklärung, einer Unterschrift und einem kleinen Facebook-Logo bittet Facebook-Gründer Mark Zuckerberg die Nutzer in mehreren britischen und US-amerikanischen Zeitungen um Entschuldigung.

Der Facebook-Skandal: ein kurzer Rückblick auf die Ereignisse

Was war passiert? Seinen Anfang nahm die aktuelle Aufregung rund um Facebook im Jahr 2014 als der Psychologie-Professor Aleksandr Kogan Nutzer-Daten von Facebook für ein Forschungsprojekt erhoben hatte. Dies geschah über die App „Thisisyourdigitallife“. Beim Download stimmten die Nutzer der Datenerhebung zu, weswegen es sich in diesem Fall um keinen Diebstahl handelt.


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Die knapp 300.000 Facebook-Nutzer gaben aber nicht nur ihre eigenen Daten weiter, sondern ebenfalls die ihrer Freunde. Das war zu diesem Zeitpunkt via Facebook möglich und nicht rechtswidrig. Erst einige Zeit später verwehrte Facebook Entwicklern der Zugriff auf die Freundesdaten.

Was hingegen illegal ist, war der Verkauf der erhobenen Daten von Aleksandr Kogan an die britische Datenanalyse-Firma Cambridge Analytica.

Die Rolle von Cambridge Analytica

Als Facebook den Verkauf der Daten realisierte, wurde Cambridge Analytica zur Löschung der Daten aufgefordert. Diesem Wunsch kam die Firma vom inzwischen suspendierten CEO Alexander Nix jedoch nicht nach, wie die aktuellen Enthüllungen vermuten lassen.

Während im ersten Teil des Skandals (Datenerhebung via App) Facebook keine Schuld trifft, muss sich das soziale Netzwerk im zweiten Akt durchaus Fragen gefallen lassen. Warum hat man nicht sichergestellt, dass die Daten wirklich gelöscht werden? Welche gesellschaftliche Verantwortung trägt Facebook als Besitzer von Milliarden Nutzer-Daten? Und warum bedarf es einer Enthüllung, damit Facebook beim Schutz seiner Nutzer aktiv wird?

Das sind alles berechtigte Fragen, auf die Facebook früher oder später Antworten liefern muss. Die alleinige Schuld am Facebook-Skandal trägt das soziale Netzwerk jedoch keinesfalls.

Wie sieht es mit der Datenanalyse-Firma Cambridge Analytica aus? Diese hat – wie bereits erwähnt – ebenfalls einen Anteil an der aktuellen Diskussion, in dem sie Daten widerrechtlich erworben hat und diese dann in Form von psychografischen Profilen unter anderem im US-Wahlkampf für Donald Trump eingesetzt hat. Der Erfolg der Kampagne und deren Einfluss auf den Sieg Trumps ist jedoch stark umstritten.

Das Geschäftsmodell von Facebook

Es ist wichtig zu betonen, dass Facebook keineswegs aktiv die Daten seiner Nutzer an Unternehmen verkauft. Facebook verdient sein Geld damit, Unternehmen die Möglichkeit zu geben, Nutzer nach bestimmten Kriterien (zum Beispiel Wohnort, Alter etc.) anzusprechen. Das heißt: Facebook monetarisiert diese Daten eher passiv und bleibt im Regelfall Herr über diese Daten.

Würde Facebook tatsächlich Datensätze an Konzerne verkaufen, würden sie sich selbst überflüssig machen. Das höchste Gut von Facebook sind die Daten der Nutzer.

Warum sollte Mark Zuckerberg diese freiwillig hergeben, wenn sich damit doch Milliarden durch zielgruppen-spezifische Werbung verdienen lassen? Das ergibt unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten keinen Sinn, macht die Fehler im vorliegenden Fall jedoch selbstverständlich nicht kleiner als sie sind.

Unser Fehler: Naivität und fehlendes Wissen

Die aufgeführten Fakten lassen also keinen anderen Rückschluss zu, als dass wir Facebook und Cambridge Analytica für ihre Fehler kritisieren und diese dafür auch zur Rechenschaft gezogen werden.

Trotzdem ist es wichtig einen dritten Faktor zu betrachten, ohne dessen Hilfe der Facebook-Skandal in diesem Ausmaß nicht passiert wäre. Dieser dritte Faktor sind wir Nutzer selbst.

Schließlich geben wir bei Facebook, Twitter und Co. unsere Daten freiwillig an. Wir teilen unseren Wohnort mit, den wir gegenüber anderen Unternehmen in unserem Alltag am liebsten vollständig verbergen wollen.

Wieso machen wir einen Unterschied zwischen analogen und digitalen Unternehmen? Warum sind uns unsere Daten in sozialen Netzwerken offensichtlich weniger wert? Zumal Facebook, Google, Amazon und Co. kein Geheimnis daraus machen, dass die Informationen im Profil zur Optimierung von Anzeigen genutzt werden.

Die entscheidende Frage ist also: Wann hören wir endlich damit auf, ohne nachzudenken unsere persönlichen Daten jedem Online-Service zur Verfügung zu stellen?

Bessere digitale Bildung

Facebook und Cambridge Analytica haben – und das wiederhole ich gerne – Fehler gemacht. Doch auch wir Nutzer dürfen uns nicht vollkommen aus der Schusslinie ziehen. Wir müssen uns fragen, warum wir nicht einfach weniger Daten hinterlegen oder das Ad Tracking soweit wie möglich deaktivieren.

Damit schützen wir unsere Identität im Netz und entziehen den Digital-Konzernen ein Stück ihrer Marktmacht. Da die nötigen Informationen dafür jedoch nur den wenigsten Bürgern bekannt sind, wird es Zeit, dass die digitale Bildung in Deutschland endlich in der Vordergrund rückt.

Das fängt damit an, dass es ausführliche Weiterbildungen und Aufklärung im großen Stil gibt. Wie verdienen Digital-Konzerne ihr Geld? Warum sind meine Daten so wertvoll? Wie kann ich sie besser schützen? Warum sollte ich nicht jede Information überall angeben?

Fragen wie diese sollte jeder Erwachsene beantworten können. Und dieses erlangte Wissen können wir dann in unsere Erziehung einfließen lassen und an unsere Kinder weitergeben.

Schließlich können gerade junge Menschen oftmals nicht einschätzen, was mit ihren Daten passiert. Wir müssen uns unserer Verantwortung gegenüber dem Nachwuchs bewusst werden und frühzeitig aufklären. Das fängt in den eigenen vier Wänden an und findet seine Fortsetzung in Schulen und Universitäten.

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Über den Autor

Christian Erxleben

Christian Erxleben arbeitet als freier Redakteur für BASIC thinking. Von Ende 2017 bis Ende 2021 war er Chefredakteur von BASIC thinking. Zuvor war er als Ressortleiter Social Media und Head of Social Media bei BASIC thinking tätig.

13 Kommentare

  • Zwei Vermutungen, warum wir bei Online-Services wie FB eher unsere Daten preisgeben, als im echten Leben:
    1. Auf FB & Co gebe ich meine Daten gefühlt natürlich meinen Freunden preis und bleibe so mit ihnen in Verbindung. Das psychologische Motiv dahinter ist die Verbundenheit und auch ein Stück der Versuch eigener Wirksamkeit (Deci/Ryan). Dass die Daten auch von FB genutzt werden, wird dafür in Kauf genommen und erscheint kaum relevant, das Ergebnis der Abwägung (sofern sie überhaupt getroffen wird) geht meist „pro Freunde“ aus. Bei anderen Diensten wie Payback an der Supermarktkasse etc. gibt es die soziale Komponente nicht, so dass diese es mit Punkten=Geld versuchen und die Daten dem Kunden direkt bezahlen.
    2. Das „Echte Leben“ ist konkret, das digitale nicht. Die möglichen Konsequenzen sind unüberschaubar und schwammig. Und mit Themen, die ich ihnehin nicht verstehe/durchschaue, setzte ich mich daher auch nicht auseinander.

  • Es stimmt, wir geben gutgläubig unsere Daten ab: Die meisten dürften aber noch nicht einmal wissen, was man eigentlich mit Adresse, Geburtsjahr und Name alles anstellen kann. Ich erinnere mich an die Berichterstattung der ersten Facebookjahre, als Medien die meist junge Klientel davor warnte, intimste Gedanken an die Plakatwand von Facebook zu posten. Und ja, Christian, du schreibst über die fehlende Bildung: Facebook und viele andere Internetkonzerne hätten ihren wachsenden Einfluss auch dazu nutzen können, ihre Nutzer und Teilnehmer aufzuklären und selbständig machen zu können im Umgang mit dem Internet, zumal sie mit einer Technik umgehen, die für die meisten von uns bei aller Alltäglichkeit neu war/ist, auch wenn sie bereits zum Alltag gehört. Auch deshalb, weil ihre Geschäftsmodelle auf der Mitmachlust von Nutzern basiert. Komisch, bei den Bankenskandalen geben wir sofort den Banken die Schuld, wenn Geld verloren geht, im Internet sind indes sofort die Nutzer schuld und naiv und gutgläubig, wenn Daten missbraucht werden. Ich halte es da mit Scott Galloway, der auf den diesjährigen Online-Marketing-Rockstars die wirklich wichtige, aktuelle Frage indirekt gestellt hat: Wem nutzt denn eigentlich das Internet und die Communities? Heute leider nicht mehr den Nutzern, sondern vor allem der Wirtschaft und einigen wenigen monopolartigen Konzernen, die inzwischen jede Innovation vom Markt wegkaufen können und damit den Fortschritt, aber auch die Optimierer ihrer Dienste behindern. Es geht eben nicht mehr darum, die Welt besser zu machen, sondern nur noch um Verkauf, Gewinnmaximierung, Manipulation (Warum denken Gründer und Wissenschaftler eigentlich darüber nach, wie sie Wahlen beeinflussen können? Warum nicht darüber, wie sie Diktaturen unterwandern können?). Facebook & Co. verbessern daher meistens nicht die Kommunikations-, sondern die Werbefunktionen. Dass dabei auch noch durch technischen Dilettantismus (kaum beherrschbare und in ihrer Wirkung nicht verstandene Algorithmen) oder durch technischen Machbarkeitsglaube auch noch die Demokratie gefährdet wird, ist Nebensache und wird leider viel zu selten diskutiert.

  • Es stimmt, Christian, wir brauchen mehr digitale Bildung oder digitale Reife. Die meisten nutzen das Internet noch mit viel zu viel Unbekümmertheit.
    Aber das scheint mir nicht der Kern von „Facebook-Gate“ zu sein, nicht der entscheidende Faktor. Das wirkliche Problem ist die bisher nie dagewesene Attraktivität des Mediums. Was genau so sexy an Facebook ist, ist schwer zu sagen, aber die Folge sind jedenfalls zwei unheilvolle Wirkungen:
    1. Unglaublich viele Menschen sind Mitglied, mehr Menschen als in jeder anderen organisierten Kommunikationsform.
    2. Sie geben für diese Attraktivität zu viel Intimes preis.
    Diese zwei Punkte machen den Unterschied zu dem, was wir bisher kannten. Im Fernsehen und im Radio läuft auch Werbung, auch immer grad dann, wenn’s am spannendsten ist. Alle sagen zwar, dass sie nicht hinschauen, aber es würden nicht so viele Milliarden da reinfließen, wenn es nicht wirken würde.
    Facebook-Werbung – und etwas Anderes ist der News-Feed-Algorithmus nicht – wirkt auch, aber eben
    1. bei deutlich mehr Menschen, bei unvorstellbar vielen sogar und
    2. deutlich besser, effektiver, denn die Selektion kann ganz persönlich erfolgen.
    Das heißt, wir haben es hier mit einer Werbe- oder Manipulationsmaschine zu tun, die fast ein Drittel der Menschheit erreicht und diesen sehr viel wirkungsvoller als alles bisher Dagewesene „den Kopf verdrehen“ kann.
    Der entscheidende Unterschied zu dem, was wir bisher kannten, scheint mir zu sein, dass so eben nicht nur der Marktanteil von Mars oder BMW gesteigert wird. Mit solchen Zielen haben wir mittlerweile unseren Frieden gemacht. Wegen seiner Größe und Effektivität ist Facebook in eine neue Qualitätsdimension vorgestoßen.
    Facebook könnte schon jetzt lokale Pogrome auslösen und regionale Konflikte zum Überkochen bringen. Und sie können Volksentscheide und Wahlen beeinflussen – wie eindrucksvoll vorgeführt.
    Das heißt: Facebook kann nicht nur meinen Nachbarn dazu bringen etwas zu kaufen. Das kann RTL auch, nicht ganz so gut, aber immerhin. Facebook kann auch meinen Nachbarn dazu bringen AfD zu wählen. Und das betrifft mich dann wieder, weil wir in der gleichen Republik leben.
    Unterm Strich heißt das für mich: Facebook Manipulationsmacht ist zu groß und muss dringend beschnitten werden. Sonst machen sie bald unsere Demokratie kaputt.