In der Serie „Start-up-Check!“ nehmen wir regelmäßig die Geschäftsmodelle von Start-ups unter die Lupe. Wer steckt hinter dem Unternehmen? Was macht das Start-up so besonders und was gibt es zu kritisieren? Heute: Solmove.
Start-ups. Das klingt nach Erfindergeist, Zukunftstechnologien, neuen Märkten. Doch in der Realität erweisen sich viele der Neugründungen leider oft als eine Mischung aus einer E-Commerce-Idee, planlosen Gründern und wackeligen Zukunftsaussichten.
Dabei gibt es sie durchaus: Die Vordenker, die an den großen Problemen tüfteln und Geschäftsmodelle revolutionieren. Diese zu finden und vorzustellen, ist die Aufgabe des Formats Start-up-Check. Heute: Solmove aus Berlin.
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Wer steckt hinter Solmove?
Solmove ist ein Clean-Tech-Start-up, das 2014 von Donald Müller-Judex in Herrsching am Ammersee gegründet wurde. Mittlerweile ist das Unternehmen nach Berlin umgezogen und hat außerdem einen Standort in Potsdam.
Solmove bildet einen Forschungsverbund mit dem Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) in Freiburg, dem Fraunhofer-Institut für Silicatforschung in Würzburg, der Uni Bayreuth, der RWTH Aachen und dem Forschungszentrum Jülich.
Das Start-up entwickelt mit seinen Forschungspartnern einen Straßenbelag aus Solarmodulen, der seit Kurzem unter Realbedingungen im Einsatz ist. Im November 2018 wurde der erste Radweg aus Solmove-Modulen eröffnet, der gleichzeitig der erste Solarweg in Deutschland ist.
In Erftstadt, 30 Kilometer südlich von Köln, fahren seitdem Radfahrer auf einem 90 Meter langen Teilstück über die Module, die Strom aus Sonnenenergie gewinnen und in das örtliche Stromnetz einspeisen.
Zur Marktreife von Solmove: Das Start-up bezeichnet die aktuelle Phase als Entwicklungs- und Testphase. Erftstadt ist damit eine Art Pilotprojekt. Solmove ist also bereits auf dem Markt, allerdings noch nicht in der Serienproduktion. Müller-Judex spricht auch von vielen Anfragen von Unternehmen und Verbrauchern, die 2019 zum Zuge kommen sollen.
Der europäische Fonds für regionale Entwicklung fördert Solmove. Zudem hat das Start-up mehrere Preise abgeräumt: aktuell im vergangenen Oktober in der Kategorie „Visionary Reality“ den „Germany New Mobility & Connectivity Award“ (GENIUS-Award), der vom Handelsblatt und der Agentur Zet:project initiiert wurde.
Außerdem hat Solmove den zweiten Platz beim „Smart Country Startup Award 2018“ des Bitkom in der Kategorie „Smart City“ belegt. Und der Rat für nachhaltige Entwicklung der Bundesregierung hat Solmove das Qualitätssiegel Werkstatt-N verliehen.
Was macht Solmove?
Solmove baut Straßen und Wege, die gleichzeitig Solaranlagen sind. Dafür hat Solmove spezielle Solarpaneele entwickelt. Diese werden auf bestehende Flächen wie Straßen aufgelegt, ineinandergesteckt und bilden den Bodenbelag einer Solarstraße, die aus Sonnenenergie Strom erzeugt.
Die Paneele sind aus Glas, haben aber durch ihr besonderes Profil laut Solmove die gleiche Rutschfestigkeit wie Asphalt. Die hervorstehenden Teile des Profils sind besonders rutschfest, die Aussparungen sorgen für den Selbstreinigungseffekt.
Ein Großteil des Schmutzes soll dort durch Nano-Partikel bei Regen einfach abfließen. Ansonsten lassen sich die Platten wie herkömmliche Beläge von der Straßenreinigung säubern.
Das gilt auch für den Schneeräumdienst – wenn er überhaupt ran muss. Denn: Die Platten haben eine eingebaute Heizungsfunktion und sollen sich somit selbstständig von Eis und Schnee befreien. Ob das klappt, wird der Testbetrieb zeigen.
Laut Müller-Judex wäre das schon bares Geld wert. Seiner Rechnung zu Folge kostet der Winterdienst die Gemeinden in jedem Winter rund 200 Euro pro Quadratmeter Weg und Straße. Solmoves Heizungsfunktion nur 30 Euro.
Auch ansonsten sollen die Solmove-Platten irgendwann den Gemeinden oder anderen Betreibern Geld einbringen. Die Rechnung: Ein Quadratmeter Solmove-Belag erzeugt rund 100 Kilowattstunden Strom im Jahr. Bei ungefähr 30 Cent Stromkosten pro Kilowattstunde, erzeugt eine Platte so Strom im Gegenwert von 30 Euro.
Die Kosten für eine der Platten soll irgendwann pro Quadratmeter bei 250 Euro liegen. Das heißt: Im neunten Jahr der Nutzung würde die Platte Geld verdienen.
Die Entwickler gehen von einer Lebensdauer der Platten von 20 bis 25 Jahren aus. Und zwar nicht nur, wenn Radfahrer drüber rollen. Im Testlabor hält eine Platte auch LKWs locker aus.
Wenn diese Lebensdauer sich im Einsatz bestätigt, verdient jeder Nutzer zehn bis 15 Jahre lang mit dem erzeugten Strom Geld.
Allerdings sind die Kosten in Erftstadt mit 370 Euro pro Quadratmeter noch wesentlich höher, weil Solmove sich noch in der Entwicklungsphase befindet. Die 250 Euro sind angepeilt für die Serienherstellung.
Ein Nebeneffekt des Belags, der irgendwann Menschen zu Gute kommt, die an einer viel befahrenen Straße wohnen: Er erzeugt weniger Fahrgeräusche als herkömmlicher Asphalt.
Was macht Solmove so besonders?
Wer sich auch nur am Rande für Clean-Tech interessiert, wird sich wahrscheinlich gedacht haben: Ein Straßenbelag aus Solarpaneelen? Gibt’s das nicht schon? Ja, gibt es – sogar schon etwas länger.
Es gibt mehrere Mitbewerber. Darunter sind beispielsweise Solar Roadways aus den USA, Wattway aus Frankreich und aus den Niederlanden Solaroad. Alle haben bereits Teststrecken – teilweise schon vor mehreren Jahren – eingeweiht.
Dennoch hebt sich Solmove ab. Bei seinen Mitbewerbern aus den USA und den Niederlanden wird der Belag ziemlich aufwendig eingebaut. Dafür wird die Straße aufgerissen und die dicken Platten oder sogar großen Betonplatten verlegt. Das erhöht die Kosten und die Einrichtungszeit.
Beim französischen Vertreter Wattway werden die dünnen Solar-Module zwar einfach aufgeklebt, erfordern aber dennoch alle 70 Zentimeter Einschnitte in den Straßenbelag für die Verkabelung.
Solmove hingegen funktioniert im Grunde wie ein Teppich, der ausgerollt wird. Das funktioniert theoretisch wo man will. Außerdem stören den Belag auch kleine Unebenheiten nicht weiter, weil eine Verbindungsschicht diese ausgleicht.
Baumaßnahmen sind so im klassischen Sinne gar nicht nötig. Außerdem gibt Solmove an, dass auch der Recycling-Prozess entsprechend einfach ist. Wenn eine Platte ihre Lebensdauer überschritten hat, wird sie abgezogen und wie ein Solarpaneel vom Dach recycelt. Bei den Mitbewerbern ist auch diese Demontage aufwendiger.
Das dritte Alleinstellungsmerkmal: Ein Problem der Mitbewerber ist, dass die Auslastung der Paneele niedrig ist. Das Autobahnstück von Wattway erzeugt beispielsweise nur halb so viel Strom, wie geplant. Und auch die Teststrecken der anderen Anbieter erreichen nicht die Werte, die sie angepeilt haben.
Das Problem ist unter anderem: Dadurch, dass die Paneele auch LKW tragen müssen, ist die Glasschicht sehr dick, sodass weniger Sonnenlicht durchkommt. Außerdem verringert der sich ansammelnde Schmutz die Wirksamkeit noch mehr.
Solmove behauptet nun, das Problem mit seiner speziellen Glasschicht gelöst zu haben. Schmutz soll sich nicht ansammeln können und auch sonst soll das Sonnenlicht besser durchscheinen.
Natürlich muss man hier fairerweise erwähnen: Das haben auch die Mitbewerber vor der Testphase gehofft. Ob das so funktioniert, wie Solmove das berechnet, bleibt also abzuwarten.
Die Solmove-Platten können noch mehr, als bloß Strom zu erzeugen. Sie sollen smart sein und den Verkehr messen und über LED-Beleuchtung sogar steuern.
Die eigentliche Zukunftsvision von Gründer Müller-Judex geht aber noch weiter. Er arbeitet daran, dass über seine Module irgendwann auch über Induktion Elektroautos, die auf den Straßen fahren, aufgeladen werden.
Das Potenzial ist riesig. Solmove schätzt, dass 20 Millionen Elektroautos mit Strom versorgt werden könnten, wenn alle dafür geeigneten Flächen in Deutschland dafür genutzt werden.
Positiv fällt bei Solmove auch die Vernetzung im Forschungsbereich auf. Scheinbar gibt es tatsächlich noch einiges an der Technologie zu verbessern. Da ist es von Vorteil, so viele Forscher an Bord zu haben wie Solmove.
Über die Alleinstellungsmerkmale hinaus ist Solmove und seinen Mitbewerbern aber eines gemein: Sie arbeiten alle daran, dass Flächen, die sowieso schon zugebaut sind, für CO2-neutrale Energiegewinnung genutzt werden.
Außerdem finanziert das, wenn der entsprechende Auslastungsgrad erreicht wird, den Straßenbau. Nachhaltiger geht es kaum.
Gibt es Kritikpunkte?
Es fällt schon auf, wie vollmundig Solmoves Mitbewerber ihre Technologie anpreisen, um dann in den Tests zu enttäuschen. Die Sorge, dass es Solmove auch so ergeht, ist also durchaus begründet.
Immerhin hat der deutsche Vertreter als Spätstarter einen kleinen Technologie-Vorsprung und konnte einige Probleme schon angehen. Allerdings steht auch hier der Beweis der Wirtschaftlichkeit noch aus. Bis jetzt erzeugen die Pläne für derartige Projekte nämlich immer nur einen kurzzeitigen Hype in der Öffentlichkeit.
Allgemein ist die Technologie der Solarpaneele darüber hinaus einfach sehr kostspielig. Zwar sollen Kommunen irgendwann die Investition sogar mit Gewinn wieder rausbekommen. Allerdings müssen wir noch einige Jahre Testbetrieb abwarten, bis wir sehen, ob das auch wirklich und nicht nur auf dem Papier realistisch ist.
Bis jetzt ist der Wirkungsgrad von Solarkraftwerken außerdem einfach so viel höher, dass man argumentieren könnte, dass erst einmal mehr davon gebaut werden sollten, bevor wir die Straßen nutzen. Wie war das nochmal mit dem sonnigen Griechenland als potenziellen Solarstromriesen?
Die Solarstraßen werden nämlich immer weniger Strom erzeugen als die Solaranlage auf dem Dach, alleine weil sie flach aufliegt und nicht in die Sonne geneigt ist.
Fazit
Der Hype, der um die Solarstraßenprojekte entsteht, ist kein Wunder, weil der projizierte Nutzen so groß ist. Das große Interesse an Solmove zeigt außerdem, dass, trotz aller Kritik, noch Raum für die neue Art der Paneele da ist.
Solmove präsentiert auf seiner Website beispielsweise das Produkt Solwalk, mit dem Verbraucher zum Beispiel ihre Garagenauffahrt ausstatten können. Laut Müller-Judex gibt es gerade dafür sehr viele Anfragen.
Das ist trotz der geringeren Stromausbeute sinnvoll, weil die Zielgruppe, Hauseigentümer sind, die ihr Zuhause für die nachhaltige Energiegewinnung umbauen möchten und darin häufig schon in Form von Solaranlagen auf dem Dach investieren.
Außerdem gibt es offenbar viele Interessenten unter den Unternehmen. Solmove zu Folge hat das Start-up gerade eine Potenzialanalyse mit der Deutschen Bahn abgeschlossen, um die Solmove-Platten auf den Bahnstrecken zu verlegen.
Das Interesse zeigt, dass die Idee gut ist. Und bei aller Kritik muss man sagen, dass revolutionäre Technologien nicht vom Himmel fallen. Es macht langfristig nichts aus, wenn die Mitbewerber wieder zurück ins Testlabor müssen, sofern es am Ende funktioniert.
Solmove und allen anderen Anbietern ist also ein langer Atem zu wünschen. Die Daumen sind dafür gedrückt.
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