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Hört auf mit dieser Heuchelei! Die scheinheilige Debatte ums Vertrauen

Philip Bolognesi
Aktualisiert: 17. Februar 2025
von Philip Bolognesi
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Das Marketing ist dynamisch und bringt immer wieder Phänomene und Entwicklungen zum Vorschein, die uns irritiert zurücklassen – ob analog oder digital. Was also tun? Die Luft rauslassen! Aus diesem Grund gibt es an dieser Stelle in regelmäßigen Abständen unsere neue Kolumne: Einer geht noch – Der Marketing-Nachtritt zum Sonntag.

Ach ne! Der Ruf nach Werten wird lauter. Vertrauen und Authentizität sollen gar ein Trend in diesem Jahr sein. Ich muss mich mal kurz schütteln. Vertrauen ist ein…ähm, Trend? Ist es nicht eher eine Haltung, eine notwendige Bedingung? Wer es jetzt nicht verstanden hat, ist selbst schuld! Vielleicht ist es sogar schon zu spät.

Aktuell schwirren noch unzählige Aus- und Rückblicke durchs Netz. Auch spannende Trend-Melodien für schnelle Dollar-Millionen und sagenumwobene Thesen finden wir überall. Und bei den meisten Glaskugellesern taucht ein Wort ganz besonders häufig auf: Vertrauen. Dieses Jahr soll alles anders werden.

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Was musste ich in den letzten Jahren nicht so alles bei Kunden und Unternehmern vernehmen? Wir sind Sympathieträger. Aha!? Marktführer! Alter Schwede! Und auch noch Pioniere! Ist ja höchst beeindruckend! Nicht.

Was wenig vertrauenserweckend für den aufgeräumten Betrachter klingt, haben viele Unternehmen und Marken bisher immer über alle Kanäle und Formate hinweg herausposaunt. Es hat sie ja keiner daran gehindert.

Doch werden wir mal ein wenig faktisch und untermauern dieses steile Geschwurbel. Die ganze Diskussion über Vertrauen und Authentizität als Marketing-Trend ist ziemlich scheinheilig. Es ist eher eine reflexartige Reaktion auf Verbraucher-Präferenzen und Marken-Wahrnehmungen, die aufgrund vieler unterschiedlicher Entwicklungen nicht stehen bleiben.

Was für viele alteingesessene Unternehmer und Mittelständler noch der letzte Strohhalm war, hat sich 2018 verändert: die Kaufwege. Und damit meine ich nicht nur die einzelnen Touchpoints, sondern auch die Erwartungen der Käufer.

Verdammt: Die Erde bleibt nicht stehen!

Der digitale Wandel zieht ohne zu stoppen seine Kreise. Einfach so. Und das ist auch gut so. Vertrauen war allgegenwärtig. Vor allem in Marketing-Tools, die alles sezierten und formvollendet und aussagekräftig in Datensätze formten.

Diese dynamische Entwicklung von Tools führte aber dazu, dass die technologischen Chancen von Marketing-Verantwortlichen schier unaufhaltsam stiegen.

Und mit diesen Chancen präsentierten sich auch neue Buzzwords, die immer wiederkehrend von einigen Marketern als Allheilmittel verkauft wurden. Das Social Web, Tracking, digitale Fußspuren: Endlich konnten die Wege der Kunden und Nutzer erfasst und ausgewertet werden. Herrlich!

Das Social Web kann eine Chance sein – wenn Marken sozialer agieren

Doch leider heißt social nicht auch sozial. Seinen Anfang nahm alles mit dem Cambridge-Analytica-Skandal – und ein Ende des Datenklaus ist nicht in Sicht.

E-Mail-Adressen, Dating, sexuelle Orientierung, Religion: Facebook und auch zahlreiche andere Unternehmen verwendeten Daten anderer Dienste und erlaubten wiederum diesen unter anderem den Zugriff auf private Nachrichten.

Doch obwohl sich an der Nutzung der Plattformen überwiegend wenig bis gar nichts verändert hat, so ist der aufgeräumte Nutzer doch nun verhaltener und skeptischer. Wie werde ich getrackt? Welche Daten habe ich bis jetzt eigentlich so preisgegeben? Und was passiert mit ihnen?

Die Folge: Das Vertrauen in die sozialen Netzwerke sank und sinkt weiter.

Nicht zu vergessen: die Influencer, die wegen der häufigen Verwendung von Bots und Follower-Käufen immer weniger Sympathie genießen. (Wohlwollend blenden wir an dieser Stelle mal die etlichen Fails und Peinlichkeiten aus.)

Das Blatt hat sich also gedreht. Nun geht es um Positionen, Meinungen, Haltungen. Endlich.

Vertrauen als letzter Strohhalm?

Diese Veränderungen sind Herausforderungen und Chancen zugleich. Denn plötzlich drehen sich die magischen Kennzahlen nicht mehr um Follower oder Likes, sondern – tada! – um hochwertiges Engagement und Vertrauen. Und endlich geht es um Qualität und nicht nur um schiere Quantität.

Wir Nutzer teilen immer seltener – und wenn doch, dann nicht mehr vorbehaltlos – unsere Daten. Was wir erwarten, sollte eigentlich schon immer gelebt werden: Authentizität.

Deshalb braucht es nicht nur „korrektes“ Marketing mit noch mehr Content, sondern viel mehr und öfters den richtigen Kontext. Oder einfach einen Kommentar!

Marken sollten künftig neben Haltung auch immer mehr hochpersonalisierte Inhalte mit Meinung und Mehrwert präsentieren, der dann bitte auch authentisch transportiert wird.

Es wird Zeit

Ja, wir werden allesamt getrieben von Trends, von selbst ernannten Innovationen und noch mehr Updates und Features. Aber wirklich überwältigt sind wir davon aber nur noch selten.

Was sollen Unternehmen also machen? Sympathisch sein. Auf Augenhöhe kommunizieren. Sich für die Bedürfnisse und Herausforderungen der anderen interessieren. Mensch sein, und kein anonymes Unternehmen ohne Gesichter.

Wir Kunden vertrauen Marken, die wir kennen und einschätzen können. Wir fallen nicht auf plumpe Werbung und Ego-Posts rein. Und auf ständige Werbe-Penetration erst recht nicht.

Kommt also in die Puschen.

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Philip Bolognesi war von 2018 bis 2020 in der Redaktion von BASIC thinking tätig. Er hat Kommunikationswissenschaften studiert und ist zertifizierter Social-Media-Manager. Zuvor hat er als freiberuflicher Online-Redakteur für CrispyContent (Serviceplan Berlin) gearbeitet und mittelständische Unternehmen in ihrer Online-Kommunikation beraten. Ihn trifft man häufig im Coworking-Space Hafven in Hannover.
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