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Social-Media-Entwicklung der DFB-Frauen: „Die Spielerinnen stehen selbst in der Pflicht“

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Finn Clausen ist Experte für Digitalkommunikation und berät einige DFB-Spielerinnen in Sachen Social Media.
geschrieben von Vivien Stellmach

Die DFB-Frauen verzeichneten während der Weltmeisterschaft in Frankreich ein enormes Follower-Wachstum auf Instagram. Aber woran lag das genau? Wir haben Digital-Experte Finn Clausen, der die Spielerinnen im Bereich Social Media betreut, zum Interview gebeten.

Bei der Frauen-Weltmeisterschaft (WM) in Frankreich scheiterte der Deutsche Fußball-Bund (DFB) zwar schon im Viertelfinale gegen Schweden. Im Internet feierten die Nationalspielerinnen aber große Erfolge.

Der selbstironische Werbespot der DFB-Frauen, zahlreiche geteilte Instagram-Postings sowie eine eigene Video-Reihe des DFB bescherten den Sportlerinnen reichlich mediale Aufmerksamkeit und ein enormes Follower-Wachstum im Social Web.


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Die 20-jährige Giulia Gwinn zählt beispielsweise neben Schauspielerin Milena Tscharntke zu den Top-Instagrammern im Juni 2019. Aber der Reihe nach.

Finn Clausen: Der Experte für digitale Kommunikation im Interview

Einige DFB-Frauen sind nicht alleine für ihren Social-Media-Auftritt verantwortlich. Finn Clausen ist Experte für digitale Kommunikation, Strategie und Social Media. Er berät Spielerinnen in den sozialen Medien und tat das auch während der WM.

Im Interview mit BASIC thinking erklärt er, warum die Social-Media-Kanäle der Athletinnen das enorme Wachstum überhaupt verzeichnen konnten, wie seine Arbeit mit den DFB-Frauen aussah und worauf es bei der eigenen Berichterstattung im Netz wirklich ankommt.

BASIC thinking: Finn, du bist Experte für digitale Kommunikation und betreust Fußball-Nationalspielerinnen wie Sara Däbritz, Linda Dallmann und Lina Magull im Bereich Social Media – auch zur vergangenen WM in Frankreich. Warum sind die sozialen Medien für Sportlerinnen und Sportler so wichtig?

Finn ClausenAlmuth Schult beklagt sich immer wieder, dass die Spielerinnen zu wenig Aufmerksamkeit bekommen. Das ist lustig, weil sie als einzige Spielerin des deutschen WM-Kaders keinen Instagram-Account bespielt. Wenn sie selbst nicht mal Lust hat, aus ihrem Leben als Sportlerin zu berichten, wieso sollten es dann andere tun?

Im Jahr 2019 braucht es schon lange keine Gatekeeper in Form von Journalisten mehr, um Inhalte an die User zu bringen. Dafür sind die Spielerinnen auch selbst verantwortlich.

Eigene und externe Medien sind für DFB-Frauen wichtig

Der selbstironische Werbespot der DFB-Frauen hat den Spielerinnen vor der WM viel Aufmerksamkeit beschert. Ein Musterbeispiel dafür, dass die mediale Präsenz heute in den eigenen Händen liegt?

Die Commerzbank und deren Agentur Thjnk haben mit ihrem Clip den Zeitgeist getroffen: Im internationalen Vergleich ist keine deutsche Nationalspielerin in den Top 25 der Follower-stärksten Spielerinnen zu finden.

Natürlich gehören zu einem Boom immer ein Zusammenspiel aus verschiedenen Komponenten, zu denen auch TV und andere Medien zählen. Aber die Commerzbank hat bewiesen, dass der Startschuss immer von einem selbst ausgehen kann.

Hast du dafür ein Beispiel?

Sara Däbritz hat zum Beispiel mit ihrem Partner Nike ganz bewusst viele moderne Medien angesteuert, um neue Zielgruppen zu erschließen. Damit geht es nicht nur um eigene Posts, sondern auch um die Präsenz auf anderen Kanälen.

Sara war nicht nur in der Bravo Sport, dem Kicker und der Vogue, sondern eben auch beim Instagram-Account von Fußballhelden oder vom 15 Jahre alten YouTube-Star Leonie Balys vertreten. Das macht sich auch in der allgemeinen Bekanntheit deutlich: Die meisten Leute haben bei Google nach Sara Däbritz gesucht.

Engagement ist wichtiger als die Anzahl der Follower

Wie verhält es sich mit Spielerinnen, die weniger Follower haben? Können sie irgendwie an die Engagement-Rate von Spielerinnen wie Sara Däbritz heranreichen?

Wenn man sich die Accounts von Caro Daur mit zwei Millionen Followern oder Farina Opoku mit einer Million Followern auf Instagram anschaut, kommen diese aktuell durchschnittlich auf 25.000 Likes pro Foto.

Das ist genau die Liga, in der auch Sara Däbritz mitspielt. Viele Unternehmen schauen aber immer auf die Anzahl der Follower. Das ist ein großer Fehler!

In Zeiten von sinkender organischer Reichweite ist das Engagement viel wichtiger. Die Followerzahl an sich sagt gar nichts aus, weil über die Zeit viele Fans die Beiträge der Influencer gar nicht mehr angezeigt bekommen. Die Preise werden dennoch oft anhand der Anzahl der Follower berechnet.

Finn Clausen: „Der Sport steht immer im Vordergrund“

Wie sah deine operative Arbeit mit den Spielerinnen aus? Wie bist du bei der Zielsetzung und Erstellung einer individuellen Strategie für die WM vorgegangen?

Vor der WM habe ich mich mit ihnen zusammengesetzt und über Verbesserungsmöglichkeiten gesprochen. Sara Däbritz zum Beispiel postet während der Saison nicht immer regelmäßig. Nach dem Spiel gibt es für sie auch Wichtigeres als sich minutenlang Gedanken über einen Post zu machen.

Der Sport steht immer im Vordergrund. Wir haben festgelegt, dass ich ihr während des Spiels drei bis vier passende Fotos raussuche, die sie mit Abpfiff auf dem Handy hat.

Dazu haben wir eine Kooperation mit DAZN geschlossen, die uns die Bilder zeitnah geliefert haben. Sara musste sich dann nur noch für ein Foto und eine Beschreibung entscheiden, und schon konnte ich den Post für sie absetzen.

 

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That was Teamwork ? WIR #imteam #allezmaximal #dazn #wwc2019

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Keine 30 Minuten nach Abpfiff waren ihre Emotionen über sämtliche Plattformen mit allen Fans weltweit geteilt. Und Sara konnte die gewonnene Zeit im Stadion nutzen, um mit angereister Familie, Freunden und Fans zu sprechen.

Meistens hat sie im Bus auf der Rückfahrt zum Hotel auch schon die ersten 100 bis 200 Kommentare gecheckt, während viele Spielerinnen noch nach passenden Spielfotos gesucht haben.

Es ist also von Vorteil, einen Post so schnell wie möglich abzusetzen?

Nach dem Weiterkommen gegen Nigeria im Achtelfinale hatten 16 Stunden nach Abpfiff erst vier Spielerinnen ein Foto gepostet. Ich empfinde das als vertane Chance, wenn auf der einen Seite Aufmerksamkeit gefordert wird, zeitgleich aber die Möglichkeiten ignoriert werden.

Instagram und Co. zählen für mich zur modernen Medienarbeit und sind genauso wichtig wie etwa die verpflichtende Mixed Zone nach dem Spiel. An diesem Mindset habe ich mit den Spielerinnen gearbeitet, damit sie auch verstehen, welche Auswirkungen ihre Kommunikation hat.

DFB-Frauen: Ein authentischer Social-Media-Auftritt wirkt gegen Vorurteile

Obwohl der Frauenfußball anders funktioniert als der Männerfußball, stellen viele Fans direkte Vergleiche auf. Dabei entstehen oft Vorurteile. Glaubst du, dass ein authentischer Social-Media-Auftritt dagegen wirken kann?

Davon bin ich überzeugt. Linda Dallmann hat in einer Instagram-Story Lina Magull beim Tanzen gefilmt und dies mit ihren Followern geteilt. Spiegel Online hat die Szene in einem Artikel integriert, um zu zeigen, wie die Spielerinnen so ticken.

Wer den beiden auf Instagram folgt, weiß, wie lustig sie sind. Linda hat kurz vor der WM einen Sponsoring-Deal mit Sc.24.com abgeschlossen. Insbesondere auch, weil der Marke ihre persönlichen Instagram-Einblicke so gut gefallen.

Auch der DFB hat während der WM gute Arbeit geleistet und das Team mit der eigenen YouTube-Serie #IMTEAM begleitet. In den Clips sprechen die Spielerinnen viel. Gerade Caro Simon ist sehr gut weggekommen. Dabei war sie nur sie selbst.

Viele Leute haben durch das Format gemerkt, wie unglaublich sympathisch die Spielerinnen sind.

Wie verhält es sich mit Spielerinnen, die auf der Bank sitzen? Sind sie im Nachteil, weil sie keine aktiven Inhalte vom Spielfeld posten können?

Ja und Nein. Natürlich haben Spielerinnen wie Sara Däbritz, die aufgrund ihrer herausragenden Leistungen, ihrer Tore, ihrer zweimaligen Wahl zur Spielerin des Spiels einen enormen Vorteil. Jedes wichtige Tor hat einen Schub von ein paar Tausend Followern gebracht. 

Giulia Gwinn konnte über eintausend Prozent Follower-Wachstum verzeichnen. Das wäre ohne ihr Tor und der darauffolgenden Berichterstattung nicht möglich gewesen.

Aber auch Linda Dallmann konnte 43 Prozent neue Follower gewinnen, obwohl sie nur kurze Einsätze hatte. Das ist im Vergleich zum Rest der Mannschaft ein sehr guter Wert und lag insbesondere daran, dass sie zwischen den Spielen gute Einblicke in das Innenleben des Teams geteilt hat.

Nur Melanie Leupolz hat mit 33 Posts mehr geteilt als Linda mit 28 Posts.

Giulia Gwinn gewinnt die meisten Fans

Giulia Gwinn verzeichnet seit dem 23. Mai 2019 eine unglaubliche Follower-Steigung von mehr als Tausend Prozent. Damit liegt sie ganz klar auf Platz Eins in der Nationalmannschaft. Ist das enorme Wachstum nur eine Folge ihrer sportlichen Leistungen oder steckt mehr dahinter?

Das hat natürlich ganz stark mit der damit verbundenen Berichterstattung zu tun. Auch sonst hat Giulia – gerade für ihr Alter – ein absolut überzeugendes Turnier gespielt. Das Follower-Wachstum steht aber in keinem Verhältnis zu der sportlichen Leistung von Spielerinnen.

Man muss ganz klar sagen: Je hübscher eine Spielerin ist, desto leichter ist es für sie, neue Follower auf dem visuellen Medium Instagram zu gewinnen. Einige spielen diese Karte bewusst aus, andere grenzen sich bewusst ab.

Giulia war mit ihrer Follower-Explosion im Monat Juni der Account in Deutschland, der prozentual am meisten gewachsen ist. Sara Däbritz ist im Turnier um 68 Prozent gewachsen und konnte über 30.000 neue Fans gewinnen. Damit ist sie deutschlandweit auch unter den Top Ten.

Am Ende ist es der Mix aus einer guten Arbeit im Bereich Social Media, Pressearbeit und Marketing sowie der sportlichen Leistung, die zum Erfolg bei Instagram führt. Sara ist zum Beispiel in großen Kampagnen von Nike und Coca Cola integriert.

So profitieren die DFB-Frauen von ihren neu gewonnenen Followern

Wie können die Spielerinnen jetzt von ihren neuen Instagram-Followern profitieren?

Dazu ist ein Blick in die Insights wichtig. Es wäre natürlich traumhaft, wenn die Spielerinnen junge Mädels ermutigen können, ihre Ziele zu verfolgen. In der Realität schauen Frauenfußball aber auch viele Männer. Das spiegelt sich in den Followern wieder. Meistens sind über 50 Prozent männlich im Alter von 18 bis 34 Jahren.

Davon abgesehen können die Spielerinnen natürlich auch monetär von den neuen Followern profitieren. Die meisten Accounts sind noch fast frei von Werbung und deshalb für Sponsoren interessant.

Für kleinere Kampagnen sind oft keine Tausend Euro nötig. Der Commerzbank-Clip hat gezeigt, dass die Spielerinnen in der Zusammenarbeit mit Partnern sehr unkompliziert sind. Sie sehen Partnerschaften auch als Wertschätzung für das, was sie sportlich leisten.

Was rätst du den Spielerinnen nach der WM? Können sie den Hype mitnehmen, indem sie fleißig weiter posten?

Sie sollten sich nicht verstellen, sondern agieren wie es für sie vertretbar ist. Der Instagram-Algorithmus belohnt fleißiges Posten, wenn die Inhalte relevant sind. Das passt aber auch nicht zu jeder Spielerin.

Optimal können sie über Social Media die Rolle einnehmen, die sich auch im Team spielen. Es geht schließlich um mehr als nur Fotos posten: Wenn ich beispielsweise Führungsspielerin im Verein sein möchte, gehört auch der Umgang mit Fans und Medien dazu.

Die Spielerinnen sollten durch den Fokus auf jeden Fall eines gelernt haben: Es besteht ein öffentliches Interesse am Team und den Einzelspielerinnen. Niemand, der #IMTEAM war, agiert noch privat auf Social Media.

Finn, vielen Dank für das Gespräch!

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Über den Autor

Vivien Stellmach

Vivien Stellmach war von Mai 2019 bis November 2020 Redakteurin bei BASIC thinking.