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Porsche Cayenne Turbo S E-Hybrid – Das Vernunftauto?

geschrieben von Mark Kreuzer

Gerade bei einer Marke wie Porsche fällt es vielleicht schwer, von einem Vernunftauto zu sprechen, aber dass sich sportliche Autos und Vernunftautos nicht unbedingt ausschließen, zeigt der Porsche Cayenne Turbo S E-Hybrid mit 680 PS Systemleistung sehr deutlich in meinem Test.

Ich hatte bereits die Möglichkeit, bei dem Fahrevent zum Cayenne Turbo S E-Hybrid Coupe erste Erfahrungen mit dem Wagen zu sammeln. Aber mir war es wichtig, den Wagen auch nochmal als Testwagen zu bekommen, um herauszufinden, wie viel Elektro in dem Cayenne Turbo S E-Hybrid tatsächlich steckt.

Bevor wir ins Detail gehen, möchte ich das Augenmerk auf eine (wie ich finde) Besonderheit lenken: die Topausbaustufe des Cayenne gibt es als Turbo S nämlich ausschließlich mit Elektromotor.

In meinem Test ist mir sehr schnell aufgefallen, dass der Wagen einen ständig vor eine Entscheidung stellt.

Damit zeigt Porsche in meinen Augen eine sehr interessante Elektrifizierungsstrategie. Anders als bei vielen anderen Herstellern – bei denen ein PHEV Modell oftmals ein halbherziges Bekenntnis für mehr Ökologie ist, verbessert der Hybrid bei Porsche das Fahrerlebnis spürbar.

Technische Daten Porsche Cayenne Turbo S E-Hybrid

Beim Cayenne Turbo S E-Hybrid und Cayenne Turbo S E-Hybrid Coupé kombiniert Porsche die 100 kW (136 PS) starke E-Maschine mit einem Vierliter-V8-Biturbo-Motor, der 404 kW (550 PS) leistet. Arbeiten beide Motoren zusammen, ergeben sich 500 kW (680 PS) Systemleistung und 900 Nm Systemdrehmoment.

Der Blick auf das Fact-Sheet lässt einen erst einmal etwas verwirrt zurück. Zum einen sind es die Leistungsdaten und Beschleunigungswerte, die einen eher an einen Sportwagen als an einen Geländewagen erinnern, zum anderen denkt man bei den Verbrauchswerten von 3,7 l/100 km eher an einen sparsamen Kleinwagen.

Die Batterie hat eine Größe von 14,1 kWh und eine Reichweite von bis zu 40 km laut Hersteller-angaben. Mit 2.490 kg Leergewicht ist der Cayenne Turbo S E-Hybrid nicht gerade leicht.

Elektronutzen im Alltag? – Wer die Wahl hat, hat die Qual

Die Frage, die mich vor meinem Test am meisten interessiert hat, war: Wie viel Elektronutzen bringt einem der Cayenne Turbo S E-Hybrid wirklich im Alltag?

Jede Fahrt mit dem Wagen beginnt mit einer Entscheidung, die man treffen muss. Startet man den Wagen, hört man zunächst erst einmal nur einen elektrischen Boot Sound. Grundsätzlich startet der Cayenne Turbo S E-Hybrid also im Elektromodus. Das Ausparken und das Losfahren ist also eigentlich immer ein nahezu lautloser Vorgang. Hat man sich dann erst einmal in den Verkehr eingereiht, muss man eine Entscheidung treffen:

Fährt man im E-Modus weiter? Schaltet man auf Hybrid um? Oder soll man auf Sport-Plus schalten?

In keinem Hybrid Wagen habe ich diese Frage bisher so bewusst wahrgenommen wie in diesem. Deswegen haben ich mich auch dieses mal entschlossen, ein Video zu machen in dem ich nichts weiter sage. Noch ein paar mehr Hintergrundinfos zu dem Video und dem Making-Of- gibt es auf meiner KRAMKR Seite.

Hauptgrund dafür ist der Drive Mode Drehknopf am Lenkrad. Dreht man ihn nach links, ist man im Hybrid Modus, dreht man ihn nach rechts, ist man im Sport Plus Modus, oder man lässt es einfach wie es ist im E-Power Modus.

Der E-Power Modus ist rein elektrisch und damit lokal emissionsfrei. In diesem Modus ist eine Höchstgeschwindigkeit von bis zu 135 km/h möglich.

Im Hybrid-Auto Modus wechselt der Porsche je nach Fahrsituation automatisch zwischen Elektro und Verbrenner um.

Der Sport Plus Modus ist auf maximale Perfomance ausgelegt. In diesem Modus wird die Batterie immer schnellstmöglich nachgeladen.

In meinem Test habe ich wie bereits erwähnt sehr oft bewusst diese Entscheidung getroffen, welcher Modus den passendste ist.

Den Hin- und Rückweg zur Arbeit habe ich in den zwei Wochen fast immer ausschließlich elektrisch zurückgelegt. An Tagen, an denen ich weitere Strecken zurückgelegte, habe ich ein angepasstes Fahrmodus-Profil verfolgt. In Ortschaften oder Städten fuhr ich immer rein elektrisch, auf der Landstraße meist im Hybrid Modus und auf der Autobahn je nach Verkehr meist in Hybrid oder in Sport Plus. Tatsächlich hat sich in mir der Ehrgeiz entwickelt, dass ich immer dafür sorgen wollte, dass ich in bewohnten Gebieten elektrisch unterwegs sein wollte.

Aber neben dem (im wahrsten Sinne) nicht wahrnehmbaren Vorteil in der Stadt hat eine Batterie auch auf Landstraße sowie Autobahn sehr spürbare Vorteile.

Ein Blick auf das Leistungs- und Drehmoment Diagramm zeigt sehr schön den Vorteil des Zusammenspiels von Elektromaschine und Verbrennungsmotor.

Der Verbrennungsmotor entfaltet sein maximales Drehmoment von 770 Nm erst bei einer Drehzahl von ~2.000 Umdrehungen die Minute. Ein Elektromotor kann sein volles Drehmoment aber direkt von 0 Umdrehungen her entfalten. Das geschickte Zusammenspiel von Elektro- und Verbrennungs-motor sorgt in dem Porsche Cayenne Turbo S E-Hybrid für ein Beschleunigungserlebnis, welches man einem so großen Auto gar nicht zutraut.

Die Beschleunigung von 0-100 km/h ist mit 3,8 Sekunden auf Sportwagenniveau.

 

Der perfekte Allrounder?

Der Porsche Cayenne Turbo S E-Hybrid deckt damit ein Spektrum ab, welches ich ihm vorher nicht zugetraut habe. PHEV Fahrzeuge ernten oftmals viel Kritik, da ihnen oft vorgeworfen wird, die Batterie sei nur eine grüne Mogelpackung. Ich habe oft gelesen, dass viele PHEV Fahrer nur den Umweltbonus und Steuervorteil dieses Antriebskonzepts einstreichen wollten und das Ladekabel im Alltag nicht nutzen würden.

Persönlich habe ich noch nicht so viele Hybrid Fahrzeuge getestet, aber im Fall des Cayenne Turbo S E-Hybrid kann ich mir ehrlich gesagt kaum vorstellen, dass irgendein Besitzer auf das Laden zuhause verzichten möchte. Ich persönlich habe immer darauf geachtet, den Wagen jeden Abend an die Steckdose anzuschließen.

Morgens mit voller Batterie in den Tag zu starten, hat mir ein sehr fortschrittliches Gefühl verliehen.

In meinem Alltag habe ich dadurch den Wagen sehr sparsam bewegt. Wenn man sich den Verbrauch von 3,9-3,7 l/100 km im Datenblatt anschaut, denkt man im ersten Moment „nie im Leben“; tatsächlich habe ich diesen und auch niedrigere Werte oft im Alltag im Display stehen sehen.

Ich denke, es ist eher untypisch, dass so viel zu der Sparsamkeit eines Porsches geschrieben wird wie in diesem Fall.

Um im Alltag möglichst sparsam zu fahren, bräuchte es sicherlich keinen Hybrid mit 680 PS Systemleistung. Neben der Gelassenheit im Alltag hat der Cayenne Turbo S E-Hybrid aber auch ein zweites, sehr sportliches, Gesicht.

Es gab auch immer wieder Situationen, in denen ich den Wagen sportlich bewegt habe. Eigentlich sollte man meinen, dass Sportlichkeit und SUV sich auch ausschließen. Die Masse, der hohe Schwerpunkt und das Gewicht sprechen eigentlich gegen ein sportliches Fahrzeug.

Porsche hat bei dem Cayenne Turbo S E-Hybrid aber sämtliche Register gezogen und damit ein Fahrverhalten geschaffen, das einen an den Gesetzen der Physik zweifeln lässt.

Mir ist klar, dass diese Phrase eigentlich sehr abgedroschen ist, aber ich habe bisher noch kein Auto erlebt, bei dem dies so wahr ist, wie beim Cayenne Turbo S E-Hybrid.

Bei dem Fahrwerk mit Porsche Active Supsension Management (PASM), 4-D Chassis- Control, und Hinterachslenkung hat Porsche ein Fahrverhalten kreiert, welches sonst nur in Sportwagen zu finden ist. Die Batterie im Kofferraum sorgt zwar für ein höheres Gewicht des Fahrzeugs, ist aber auch gleichzeitig ein Gegengewicht für den schweren V8 und sorgt dafür, dass 45,5 % des Gewichts auf der Hinterachse ruhen.

Nahezu zwingend und Porsche gewohnt höchst effizient sind die Porsche Ceramic Composite Brakes (PCCB) Bremsen, welche es auch schaffen, das hohe Gewicht schnell wieder zu zügeln.

Die mit dem Turbo S E-Hybrid erreichbare Spreizung zwischen Komfort und Sportlichkeit ist schon außergewöhnlich.

Porsche ein Elektrifizierungsvorreiter

Ich kann mich noch gut an die Pressekonferenz zu dem Cayenne Turbo S E-Hybrid erinnern. In dieser wurde oft erzählt, dass dieses optische Schlachtschiff viel von der Technik des 918 Sypder haben sollte.

Damals habe ich noch mild gelächelt und es als eine reine Marketing Behauptung abgetan. Nachdem ich aber die Möglichkeit hatte, den Porsche 918 einen Tag lang zu testen, kann ich nun sagen, es steckt viel Wahres drin. Angefangen bei Details wie dem Modus-Drehschalter bis hin zu dem Zusammenspiel von Elektro und Verbrenner merkt man an vielen Ecken die Verwandtschaft. Zu dem 918 wird es nochmal einen eigenen Artikel geben.

Ich erwähne den 918 jetzt in dem Zusammenhang zu dem Cayenne Turbo S E-Hybrid, weil beide Autos zeigen, dass man Elektrifizierung bei Porsche anders denkt. Porsche ist ein Sportwagen- hersteller und damit ist klar, dass Technik, die in den Autos Verwendung findet, der Sportlichkeit dienen soll.

Porsche hat es geschafft, durch die Hybrid Technik den Cayenne sportlicher und gleichzeitig auch ökologischer zu machen.

Die Vorteile des Hybrid Antriebs werden in dem Top-Modell sehr deutlich. Aber viel von dem, was ich hier beschrieben habe, gilt meiner Meinung nach auch für die Einstiegsmodelle der Cayenne und Panamera Baureihe.

Ich würde sogar so weit gehen, dass es fast keinen Sinn macht, bei der Fahrzeugauswahl auf die Hybrid Technik zu verzichten. Der Cayenne Turbo S E-Hybrid ist mit einem Grundpreis von 168.253 € gute 30.000 € teurer als der reine Cayenne Turbo. Billig sind beide Modelle nicht, aber wer so viel Geld ausgibt, sollte eigentlich meiner Meinung nach nicht auf die Hybrid Technik verzichten.

Für mich als technikaffinen Menschen hat Porsche mit dem Hybrid das emotionalere Auto geschaffen.

Der Cayenne Turbo S E-Hybrid ist dafür für mich fast schon so etwas wie ein Vernunftsauto, so komisch dies auch klingen mag.

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Mark Kreuzer