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Mercedes S-Klasse Fahreindruck – das beste Auto der Welt?!

geschrieben von Mark Kreuzer

Als die neue Generation der S-Klasse im September vorgestellt wurde, war ich wenig beeindruckt. Meine erste Reaktion war, dass ich in meinem Artikel folgende Überschrift gewählt hatte:  Mercedes S-Klasse – vom Fixstern zur Sternschnuppe?. In jenem Artikel bin ich der Frage nachgegangen, ob die neue S-Klasse zu wenig Innovationen beinhaltet und sich deshalb vielleicht von einem Fixstern zu einer verglühenden Sternschnuppe entwickelt haben könnte.

Nachdem ich aber die Gelegenheit hatte, die neue S-Klasse einen Tag lang auf der Presse-Fahr-Veranstaltung zu testen, muss ich ganz klar festhalten: Ich habe mich gründlich geirrt.

Die neue S-Klasse könnte tatsächlich das zurzeit beste Auto der Welt sein. Ob das so ist, dieser Frage gehen wir in diesem ersten Fahrbericht nach.

S-Klasse: Die inneren Werte zählen

Als Techblogger werde ich an dieser Stelle keine Zeit damit verschwenden, auf so etwas wie Abmessungen, Motordaten und ähnliche Nebensächlichkeiten eingehen. Hier sind, für mich persönlich, tatsächlich auch die wenigsten Besonderheiten auf den ersten Blick versteckt.

Wenn man verstehen möchte, was die neue S-Klasse so besonders macht, muss man auf ihre inneren Werte blicken.

Die für mich größten Besonderheiten der S-Klasse sind: das 3D-Cockpit-Display im Zusammenspiel mit dem großen AR-Head-Up Display, die 10° Hinterachslenkung sowie die neueste Generation des MBUX in Verbindung mit der Ambientebeleuchtung.

S-Klasse – mehr Informationen mit 3D und AR-Head-Up

Unmittelbar nach dem Losfahren vom Flughafen Stuttgart hat mich die Kombination von dem 3D Cockpit Display und dem Augmented Reality (AR) Head-Up Display in einen ersten Begeisterungsrausch versetzt.

Die größte Problematik an dieser Stelle wird es wohl sein, den Lesern den Grund für meine Begeisterung zu vermitteln, da man beides nicht auf Film oder Foto festhalten kann. Ich werde
es trotzdem versuchen.

Falls ihr schon einmal einen Gameboy 3Ds in der Hand gehalten habt, könnt ihr euch in etwa ein 3D Display vorstellen. Bei dem Gameboy hat man aber die Problematik, dass der der 3D Effekt mit der räumlichen Tiefe nur zu sehen ist, wenn man im richtigen Winkel und Abstand auf das Display schaut. Technisch gesehen hätte man die Problematik bei dem 3D Display in der S-Klasse wahrscheinlich genauso. Damit der Fahrer aber den 3D Effekt zu sehen bekommt – egal in welchem Winkel und Abstand der Kopf gerade zum Display ausgerichtet ist – nutzt Mercedes Kamera- und Infrarot- sensoren, um die genaue Position der Augen zu erfassen und das Display entsprechend darauf auszurichten.

Das Ganze funktioniert für den Fahrer so hervorragend, dass man nur staunen kann angesichts der Tiefe des Displays.

Abhängig von dem gewählten Layout-Typ wird der 3D Effekt weniger oder mehr genutzt.
So hat man zum Beispiel in der Ansicht Navigation und Assistenz System den Eindruck, man schaut aus der Vogelperspektive auf das Auto in den dreidimensionalen Raum.

In den Punkten Klassisch, Exklusiv oder Minimal ist der 3D-Effekt minimaler aber dennoch wahrnehmbar und führt zu einer extremen Aufwertung des Displays.

In dem Modus Navigation würde ich auch durchaus einen starken Informationsmehrwert sehen, da man durch den räumlichen Eindruck der Kartenansicht, welche sogar das Höhenprofil berücksichtigt, ein viel besseres Verständnis für die Route erhält und wie man zu fahren hat, um der Navigation zu folgen.

AR-Head-Up Display in der S-Klasse

Mir ist tatsächlich beim Losfahren kaum Zeit geblieben, den wunderschönen 3D-Effekt des Cockpits zu begutachten; nachdem ich mich von diesem ersten „Schock“ erholt habe, hat das AR-Head-Up Display alles zerstört, was ich jemals in einem Auto gesehen hatte.

Die Technik des Head-Up Displays war bisher eigentlich relativ simpel. Ein im Dashboard etwas tiefer eingelassener „Monitor“ nutzt die Windschutzscheibe als Reflektionsfläche und kann verschiedene Informationen anzeigen. Bisher meist üblich sind Basisinformationen wie erlaubte Geschwindigkeit, gefahrene Geschwindigkeit und oftmals noch Einblendung von Navigationshinweisen oder auch schon mal Titelinformationen oder Anzeige und Steuerung von Telefonfunktionen.

Die neue S-Klasse geht hier einen enormen Schritt weiter. Statt einer kleinen Einbuchtung benötigt das Head-Up Unit in der S-Klasse einen Rauminhalt von 22 Litern, was verglichen zu dem, was bisher üblich war, gigantisch ist. Man hat fast ein wenig den Eindruck, dass die S-Klasse um das Head-Up Display herum gebaut wurde, so groß erscheint es.

Dieses Extra an Platz wird für die Räumlichkeit genutzt. Zum einen hat man ein deutlich größer projiziertes Bild und zum anderen wirkt es so, als ob das Bild 10 Meter vor euch über der Straße schwebt.

Die Größe an sich macht das Head-Up Display schon um einiges besser als das, was man bisher so gewohnt ist; aber sobald man zum ersten Mal die AR Navigation in Aktion erlebt, wähnt man sich auf einen Schlag in der Zukunft.

Im Ansatz kennt man die AR-Navigation ja schon von den Vorgängermodellen, nur dass dort mittels Kamera ein Bild der Straße auf das MBUX geworfen wurde und die Navigationspfeile an passender Position in den Raum berechnet wurden. Natürlich beherrscht die S-Klasse auch diese „alte“ Darstellungsform, aber wer einmal den AR-Effekt im Head-Up gesehen hat, will nie wieder etwas anderes im Auto haben.

Hier wird auch schnell klar, wofür die Head-Up Unit so viel Platz braucht. Die Pfeile werden erst klein und gefühlt in 100m Entfernung passend in den Raum projiziert. Je mehr ihr euch dem nächsten Navigationsereignis nähert, desto größer werden die Pfeile. Dabei zeigt der Pfeil stets auf die passende Straße zum Abbiegen.

Ich hoffe, ich konnte euch den AR-Effekt so schon mal mit Worten ein wenig näherbringen.

 

Level 2 – Fahren in der Mercedes S-Klasse

Das AR wird nicht nur für die Navigation, sondern auch für die Assistenzsysteme genutzt. Auch beim unterstützen Fahren ist die S-Klasse absolut auf der Höhe der Zeit angekommen bzw. setzt sich vielleicht sogar an die Spitze des unterstützen Fahrens.

Auch wenn NCAP und ADAC vielleicht in ihrer letzten Studie etwas anderes sagen, aber die Referenz für Level 2 autonomes Fahren war bisher der Tesla Autopilot. Ich werde an dieser Stelle jetzt kein Fass über den Namen und die Freiheiten, die Tesla seinem Assistenzsystem gibt, aufmachen. Aber jeder, der schon mal einen Tesla mit der aktuellen AP Technik gefahren ist, wird sagen, dass sich das Fahren mit Autopilot fast schon wie autonomes Fahren anfühlt.

Bei den deutschen Herstellern ist man in der Vergangenheit deutlich konservativer an dieses Thema herangegangen. Dies wurde in der Öffentlichkeit dann oft als ein technisch schlechteres System wahrgenommen. Dabei ist dieser Ansatz eigentlich nicht verkehrt, weil er sich wirklich an dem Sinn eines Level 2 Systems orientiert.

Man könnte sagen, dass die Mercedes Intelligent Drive System darauf ausgerichtet ist ein perfektes Level 2 (vielleicht sogar ein 2+) System zu sein, und nicht so tut, als sei es ein Level 3-.Beim Autofahren und bei vielen anderen Situationen macht es durchaus Sinn, sich dem Grenzbereich von unten anstatt von oben zu nähern.

Die von mir an jenem Tag zurückgelegten 350 km reichen natürlich nur für einen ersten Eindruck, aber der hat es in sich. Mercedes hat es absolut geschafft, ein System zu generieren, welches Fahrereingaben im Bereich der Beschleunigung absolut überflüssig macht. Die Kombination der Sensorsysteme: Radar und Kamera mit Verknüpfung der Navigationsdaten wie Streckenverlauf und Höhenprofil sorgen in der Praxis dafür, dass die S-Klasse stets die richtige Geschwindigkeit fährt und auch prädiktiv wählt.

Auch der aktive Lenkassistent macht einen hervorragenden Job. Anders, als bei vielen von mir getesteten Systemen, steigt er nicht einfach in einer stärkeren Kurve aus und überlässt die Lenkaktion dem Fahrer, sondern bremst den Wagen ein und zieht die Kurve weiter durch.
An dieser Stelle will ich noch mal darauf hinweise, dass bei Level 2 Systemen der Fahrer stehts die Verantwortung trägt und jederzeit und sofort zum Eingreifen in der Lage sein muss.

Das Lenkrad der S-Klasse ist jetzt mit einem kapazitiven Sensor ausgerüstet, der es sehr schnell missbilligt, wenn ihr die Hand nicht am Lenkrad lasst. Außerdem kann die Kamera im Cockpit auch den Stand eurer Aufmerksamkeit detektieren.

Was im ersten Moment vielleicht ein wenig wie Einschränkungen klingt, ist es in der Realität aber nicht. Die Testzeit war für mich in der Veranstaltung zu kurz, um hier zu einem abschließenden Ergebnis zu kommen, aber vom ersten Eindruck her, könnte auch Mercedes hier eine neue Referenz geschaffen haben, was ein Level 2 System leisten können muss.

MBUX in der S-Klasse

S-Klasse mit MBUX in der neuesten Generation

Mit der neuen S-Klasse läutet Mercedes auch die NTG 7 Generation in seinen Fahrzeugen ein.
Der erste Unterschied ist am deutlich größeren hochkant ausgerichtetem Display zu erkennen. Das 12,8‘‘ große OLED Display in der Mittelkonsole fällt durch ein scharfes Bild und haptisches Feedback mit Vibration bei Toucheingaben schon sofort beim Einsteigen auf.

Die Menü Struktur ist weitestgehend gleichgeblieben, was funktionell aber nicht wirklich revolutionär ist. Die NTG 7 Generation soll nochmal deutlich schnellere Hardware bekommen haben und bei meinem ersten Fahreindruck lief das System sehr flott.

Spannend ist die Tatsache, dass die S-Klasse jetzt einen großen Schritt in Richtung Personalisierung macht. Das Einstellen verschiedener Profilen ging bereits in der alten Generation. Meiner Erfahrung nach wird sich aber selten die Mühe gemacht, neue Profile anzulegen und zu pflegen. Hier steuert Mercedes jetzt mit der neuen MBUX Generation massiv entgegen.

Für die Unterscheidung und Anmeldung kann die neue S-Klasse jetzt Kamerasystem, Sprachanalyse oder Fingerabdrucksensor benutzen. Damit wird die Profilauswahl quasi fast automatisiert und die Fahrer werden sofort auf ihre letzten und bevorzugten Eigenschaften gesetzt. Das Ganze ist auch per App mit dem persönlichen Mercedes Me Account verbunden, was noch einige spannenden Szenarien im Bereich Carsharing erstmal in deutliche Praxisnähe bringen dürfte.

Ambiente Licht für die perfekte Stimmung in der S-Klasse

Spätestens seit der Einführung der A-Klasse mit dem MBUX System vor 2 Jahren ist Mercedes für mich absoluter Spitzenreiter, wenn es um die Umsetzung und Nutzung von Ambientelicht im Innenraum geht.

Die S-Klasse treibt die Ambientebeleuchtung noch mal auf ganz anderes Level.

Die Aktive Ambientebeleuchtung (Sonderausstattung) ergänzt die serienmäßige Ambientebeleuchtung um eine zusätzliche Lichtebene. Sie ist mit rund 250 LED ist in die Fahrassistenzsysteme eingebunden und kann deren Warnungen optisch unterstützen. Darüber hinaus ist eine Rückmeldung bei der Bedienung der Klimatisierung oder des Sprachassistenten „Hey Mercedes“ möglich.

Auch hier ist es schwer, das Gefühl zu vermitteln, dass man beim Fahren in der S-Klasse bekommt. Die Positionierung und Umsetzung der Ambietebeleuchtung erweckt zum Teil den Eindruck, als ob man das Auto umlaufend mit einem Display ausgerüstet hätte.

Ich habe das coronabedingt zeitlich eingestauchte Event versucht, maximal zu nutzen. Wir waren nicht nur zu früh da, sondern waren auch die letzten, die den Wagen am Abend zurückgegeben hatten. Obwohl es zeitlich trotzdem nicht gereicht hat, alle Stationen komplett zu besuchen, hatte es den angenehmen Nebeneffekt, dass unsere Rückfahrt in der Dämmerung und im Abend endete. Die aktive Ambientebeleuchtung ist bereits tagsüber deutlich wahrzunehmen, aber in der Nacht entfaltet sie ein unaufgeregtes Spektakel, welches Seinesgleichen sucht.

Die Bilder geben einen ersten Eindruck, wie das Ambiente Licht während der Fahrt wirkt. Spannend ist auch hier, dass Mercedes das Ambientelicht in Kombination mit dem Minimaldesign im Cockpit und MBUX nutzt.

S-Klasse weitere Technische Besonderheiten

Eigentlich wollte ich mich für diesen Fahrbericht Artikel ja kurzfassen, aber jetzt habe ich bereits einiges zu der Technik geschrieben und noch fast gar nichts zu dem eigentlich Fahren.
Bevor ich den Artikel mit meinen Fahreindrücken beende, möchte ich aber noch ein paar technische Besonderheiten erwähnen:

 

S-Klasse – agil dank 10° Hinterachslenkung

Einer Hinterachslenkung ist an sich nichts Neues. Meiner Erfahrung nach profitieren vor allem Sportwagen davon. Bisher war der Lenkeinschlag auf ein paar wenige Grad beschränkt.
Die Hinterachse in der S-Klasse schafft einen Lenkeinschlag von bis zu 10°. Damit ist der Wagen vor allem in der Stadt und beim Parken deutlich agiler.

S-Klasse im Krabengang modus

Der automatische Parkassistent ist sogar in der Lage, Vorder- und Hinterachse in die gleiche Richtung zu steuern und somit diagonal zu fahren (Krabben- bzw. Dackelgang).

S-Klasse Hybrid – echte Antriebsalternative

Wenig Zeit hatte ich leider auch für das Hybrid Technik Exponat. Hybrid-Fahrzeuge haben leider oft keinen guten Ruf, was ich persönlich nicht ganz nachvollziehen kann.

Die Hybrid S-Klasse kommt mit einer Brutto-Kapazität von 28 kWh und kann nicht nur mit AC, sondern auch mit DC CCS Stecker mit einer Peak Leistung von 60 kW geladen werden.

Damit soll laut Mercedes eine Reichweite von über 100 km im Alltag zu erzielen sein. Ich persönlich glaube, dass diese Art von Hybrid-Fahrzeugen eine echten Nutzen im Alltag der meisten Fahrer darstellen dürfte.

Leider habe ich es aus zeitlichen Gründen nicht geschafft, die Hybrid S-Klasse an diesem Event-Tag probezufahren. Aber auch beim Gespräch mit dem Hybrid-Experten über die verwendeten Komponenten, permanenterregter Synchronmotor mit Hairpin-Wicklung, wurde schnell klar, dass Mercedes mit der Hybrid S-Klasse mehr bieten will, als ein Alibi Antriebssystem um Steuern zu sparen.

Mark Kreuzer in der S-Klasse

Fahrbericht S-Klasse – meine Eindrücke

Ein paar meiner Eindrücke habe ich in dem oben zu sehenden Video zusammengefasst. Bereits in den ersten zwei Minuten nach dem Losfahren hat mich das Gefühl beschlichen, dass die neue S-Klasse etwas ganz Besonderes sein könnte.

Dieser Eindruck hat sich bereits auf der ersten Strecke der Fahrveranstaltung immer weiter verdichtet. Das eigentliche Fahrverhalten der S-Klasse war ohne Fehl und Tadel und vielleicht werde ich das nochmal in einem (noch) ausführlichen Artikel zusammenfassen, wenn ich die S-Klasse als Testwagen hatte. Es gibt noch immer einiges an spannender Technik, für die in diesem Artikel kein Platz war, da er ohnehin schon wieder viel zu ausführlich geworden ist.

Persönlich habe ich nicht damit gerechnet, dass Mercedes so ein Technologiefeuerwerk abbrennen würde. Die alten Modelle, welche noch mit NTG 6 laufen, waren ja nicht schlecht, aber wer einmal die neue S-Klasse gefahren ist, wird mir wahrscheinlich Recht geben, dass dies nur ein Zwischenschritt war.

Für mich wird es spannend sein zu sehen, ob Mercedes beim Thema OTA ernst macht, und es schafft, dem MBUX über Updates einen noch größeren Mehrwert einzuhauchen. Auch bin ich jetzt sehr gespannt, wie der traditionelle Technologietransfer von der S-Klasse auf die anderen Modelle bei Mercedes aussehen wird. Besonders gespannt bin ich in diesem Zusammenhang auf die vollelektrische EQS Variante.

Meiner Meinung nach ist die S-Klasse das technisch beste und fortschrittlichste Fahrzeug, welches zurzeit bestellt werden kann. Die neue S-Klasse ist wieder ein echter Fixstern geworden, an welchem sich alle anderen Hersteller orientieren werden müssen.

Über den Autor

Mark Kreuzer