Wirtschaft

„Mit mir ist es komisch. Ich kann so viel!“

Frau, Verloren, Lost, in Gedanken verloren, Neogeneralistin
Auch für Meike Neitz als Neogeneralistin war das Corona-Jahr 2020 eine Herausforderung. (Foto: Unsplash.com / Joseph Frank)
geschrieben von Meike Neitz

Schon 2019 bezeichnete ich mich als Neogeneralistin – was in meinem Arbeitsleben nicht immer nur Vorteile mit sich gebracht hatte. Das Jahr 2020 brachte Herausforderungen, mit denen niemand rechnen konnte. Trotzdem habe ich viel gelernt, wovon auch du profitierst.

Nein keine Angst, ich verfüge nicht über ein solches Ego, als dass dieses Zitat von mir kommen würde. Es ist von Astrid Lindgrens „Lotta aus der Krachmacherstraße“.

Und doch ist es ein guter Einstieg in diesen Artikel. Denn wie die fünfjährige Lotta sollten viel, viel mehr Menschen denken. In uns stecken so viele Talente; so viele Möglichkeiten – oft werden sie jedoch nur in Extremsituationen entdeckt!


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Warum es vorteilhaft ist, eine Neogeneralistin zu sein

Ich möchte heute erzählen, wie es mir als Neogeneralistin im Corona-Jahr 2020 ergangen ist. Denn das Phänomen Corona ist ein gutes Beispiel, warum es vorteilhaft sein kann, Neogeneralistin zu sein: Eine nie vorhersehbare Situation trifft ein, die komplette Berufssparten pausieren lässt oder ganz zunichtemacht.

Du passt dich sofort einer komplett neuen Situation an und probierst, das Beste daraus zu machen.

Kurz zum Hintergrund: Etwas mehr als ein Jahr ist es her, dass mein Artikel zum Thema Neo-Generalismus veröffentlicht wurde. Ich habe darin thematisiert, wie lange ich gebraucht habe, zu erkennen, dass es auch eine Fähigkeit in sich sein kann, nicht nur eine Inselbegabung zu haben, nur auf einem Gebiet Spezialistin zu sein, sondern sich im Rahmen seiner beruflichen Weiterentwicklung in viele verschiedene Bereiche einzuarbeiten und in diesen erfolgreich zu sein.

Auch hier zitierte ich Astrid Lindgren – da allerdings mit Pippi Langstrumpfs Attitüde: „Das habe ich noch nie gemacht, also bin ich mir sicher, dass ich das kann!“

Niemals hätte ich gedacht, so lang anhaltend, so tolle Resonanz zu diesem Thema zu erhalten. Anscheinend gibt es da draußen viel mehr berufliche Chamäleons, als ich erwartet hatte.

Vielen Dank an dieser Stelle für die vielen Nachrichten und das positive Feedback, das mich seit einem Jahr erreicht! Hier nun ein paar Dinge, die ich seit meinem letzten Artikel gelernt habe.

1. Stelle dich sofort auf die neue Situation ein

Im Januar 2020 dachte ich noch, ich würde wie gewohnt arbeiten: Eventmoderation, Kommunikations-Workshops und -Beratungen, Pitchtrainings, meine eigenen Events. Im Januar war ich gut gebucht für das Jahr und freute mich auf die vor mir liegenden Monate.

Der Rest ist Geschichte: Wie wir alle musste ich bald feststellen, dass das Leben, wie wir es kennen für nicht absehbare Zeit vorbei sein würde. Es hagelte Absagen. Nun hätte ich abwarten können, was passiert.

Ich hätte Corona-Hilfen in Anspruch nehmen können, weil mein Haupterwerbszweig, die Moderation, komplett wegbrach. Ich wollte nicht abwarten. Daher verabschiedete ich mich schnell und so emotionslos wie möglich – OK ein bisschen Jammern war schon dabei – von meinem Jahresplan, drehte mich in schönster Neogeneralisten-Manier um 90 Grad und machte (mal wieder) etwas Neues.

2. Jedes Gespräch, das du führst, kann ein späterer Auftrag bedeuten – egal wann

Ich hatte Daniel Tykesson zwei Jahre zuvor auf dem Pirate Summit kennen gelernt. Ich war damals im neunten Monat schwanger. Natürlich hätte ich die Veranstaltung ausfallen lassen können, anstatt mich mit Riesenbauch über das Konferenzgelände zu schieben und dann noch einen Artikel die Veranstaltung zu schreiben.

Viele Schwangere hätten sich vielleicht gesagt: „Ich bin ja eh bald raus, was nützen mir jetzt noch die neuen Kontakte?“ Das ist auch absolut in Ordnung. Nur mir persönlich wäre diese Ansicht zu kurzfristig – denn es gibt ein (langes) Leben nach der Schwangerschaft.

So war es Daniel, der sich überraschend bei mir meldete – zwei Jahre später. Er führt gemeinsam mit seinen Brüdern Kumpan Electric, ein großgewordenes Start-up mit 90 Leuten, das E-Roller herstellt, und Unterstützung in der Kommunikation suchte.

Ich sagte zu! Eigentlich war der Plan, ein paar Monate auf Projektbasis bei der Kommunikationsstrategie und im Bereich PR zu helfen. Ich blieb ein ganzes Jahr.

3. „Ein Zufall nur? Vielleicht auch mehr – und was ist Zufall anders als der rohe Stein, der Leben annimmt unter Bildners Hand?“

Ich finde dieses Zitat von Friedrich Schiller ist eine sehr schöne Einstellung zum Thema Zufall: Klar, das Schicksal schlägt immer wieder zu, doch letztlich drehen diejenigen einen Zufall in eine glückliche Entwicklung, die an diesem Rohdiamanten arbeiten.

Noch nie habe ich es erlebt, als eigentlich „Außenstehende“ so schnell und so tief in die Arbeit mit einem Unternehmen hineingezogen zu werden. Ich genoss es, wieder als Teil eines Ganzen, und nicht mehr „nur“ als Einzelkämpferin unterwegs zu sein.

Die E-Mobilitätsspezialisten nahmen sie mich auf, als sei ich schon seit ewigen Zeiten Teil der Mannschaft. Und ich? Ich gab ab Tag eins richtig viel Gas. Arbeitete mich in eine komplett neue Branche, die E-Mobilität ein, beobachtete, analysierte und übernahm dann Verantwortung.

Wenig später wurde mir die Leitung der Kommunikation übertragen. Keine kleine Nummer für ein Unternehmen der Größe und für mich, die ich so lange nach freiem „Schalten und Walten“ mein eigenes Ding machen konnte. War dies nun schlichtweg Zufall?

4. Transparente Kommunikation eigener Stärken und Schwächen

Eine wichtige Sache, die eigentlich klar sein sollte, trotzdem aber gern vernachlässigt wird, ist die absolut ehrliche Kommunikation der eigenen Möglichkeiten, Fähigkeiten, aber auch persönlicher Hürden.

Ich kommunizierte direkt zu Beginn sehr ehrlich, dass ich vormittags auf meine Tochter aufpassen müsse und deswegen nur nachmittags wenn sie in der Kita war – und Nachtschichten arbeiten konnte. In den Lockdown-Wochen von März bis Juni konnte ich sogar nur nachts arbeiten.

Ich kommunizierte, dass meine Stärke eigentlich in der PR liegt und nicht im Marketing. Ich kommunizierte, dass ich nur zwei Tage die Woche von Köln nach Remagen kommen könne.

Es hielt sie trotzdem nicht von mir ab. Ein Lob an dieser Stelle für ein Unternehmen, das sich so flexibel und so modern zeigte – leider sind diese nach wie vor eher rar gesät. Das Schöne: Das große Vertrauen wurde beidseitig belohnt – wir erlebten das beste Jahr der Zusammenarbeit!

5. Habe keine Angst vor neuen Herausforderungen

Ich baute mir ein kleines Team von vier Leuten auf, die mich unterstützten. Auch hier: Nach Jahren als Solo-Selbstständige bedeutete dies für mich einen großen Schritt vor allem mit den vielen hohen Bergen, die das Unternehmen aus Kommunikationssicht erklimmen musste – interne Kommunikation, neue Webseite, neuer Onlineshop, Investorenkommunikation, Händlerkommunikation, B2B-Kunden-Kommunikation, vier Produkt-Markteinführungen, Content-Produktion.

Ich hätte auch weglaufen können; Angst haben, dass ich die Herausforderung nicht schaffen würde, doch ich blieb.

6. Sei wandelbar

Wäre ich starr in meinem Leistungsportfolio geblieben, hätte ich wahrscheinlich wie geplant projektmäßig für Kumpan Electric gearbeitet, und mich um mein Steckenpferd, die Pressearbeit gekümmert.

Doch der Gedanke, mich sowohl in ein komplett neues Themenfeld (E-Mobilität trifft Digitalisierung) als auch in neue Aufgabenbereiche einzuarbeiten (Teamführung, Social Media Marketing, Influencer, B2B-Marketing etc.) gefiel mir.

Ich wollte Neues lernen, ich wollte mich weiterentwickeln und ich wollte mich selbst herausfordern.

7. Finde das Set-up, das zu dir passt

Obwohl ich nun eine de facto Festanstellung hatte, war es mir wichtig, meinem alten „Ich“ – das heißt der Zukunftsmanufaktur – nicht von heute auf morgen komplett den Rücken zu kehren.

Hier kommt für mich als Neogeneralistin ein sehr wichtiger Balanceakt, den es auszutarieren gilt: Wie viel meiner alten Selbstständigkeit; meiner „Personal Brand“, die ich mir aufgebaut habe, behalte ich?

In meinem Fall behielt ich mir vor, die wenigen Online-Moderationen und Workshops, für die ich in diesem Jahr gebucht wurde, trotzdem zu machen. Diese Flexibilität und letztlich auch Großzügigkeit eines Arbeitsgebers, ist heute nicht gang und gäbe, aber hoffentlich die Zukunft.

Sie wird uns helfen, aus der Starrheit des deutschen Arbeitssystems herauszukommen. In meinem Fall sah Kumpan Electric, dass sie mir einen wichtigen Teil von mir nehmen würden, wenn ich nicht hin und wieder mal auf einer Bühne – wenn auch virtueller – stehen könnte.

Die Geschäftsführung sah auch die Chance darin, dass ich mein Netzwerk trotz Corona weiter ausbaute – ich würde es auch für sie nutzen können. So verbauten sie mir diese Möglichkeit nicht, wofür ich sehr dankbar war und bin.

8. Sei bereit, richtig hart zu arbeiten

Wer neue Herausforderungen annimmt, wird nicht in der Lage sein, um fünf Uhr den Stift fallen zu lassen und den Laptop zuzuklappen. Das gilt besonders, wenn man Nachwuchs zuhause hat und daher nur die Hälfte des regulären Tages arbeitet.

Ich musste mich an die Flut von E-Mails von meinem Team und aus den anderen Abteilungen gewöhnen; es machte aber auch unglaublich viel Spaß, mit so vielen unterschiedlichen Leuten in unterschiedlichen Positionen in Kontakt zu sein. So brauchte ich aber auch die Zeit, um abzuarbeiten, was tagtäglich auflief.

2020 war mein persönliches, verfrühtes Weihnachtsgeschenk, dass ich mir Anfang Dezember (!) einen Netflix-Account gegönnt habe! Vorher war es einfach nicht möglich, da ich jeden Abend arbeitete.

Wenn ich Corona auch nur eine einzige positive Sache abgewinnen konnte, dann wohl, dass mir die Nachtschichten dadurch leichter fielen, da man in diesem Jahr nun mal eh einen sehr begrenzten Aktivitätsspielraum hatte.

Fazit

Was ist nun das Fazit meiner kleinen Neo-Generalismus-Ratgeber-Sammlung? Ich glaube daran, aus jeder Krise, aus jeder neuen Herausforderung eine Chance zu machen. Wandelbar sein, die Augen offen halten, die Ohren überall haben und schauen, was sich Neues ergeben kann.

Dinge anpacken und positiv nach vorne schauen. Immer bereit sein, Neues zu lernen und neue Fehler zu machen. Liebe Neogeneralisten da draußen: Regt euch weiter! Habt weiter den Mut, habt weiter die Neugier, wandelt (euch) weiter!

PS: Für mich steht jetzt schon wieder die nächste berufliche Herausforderung an – ich freue mich schon sehr, euch davon zu berichten!

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Über den Autor

Meike Neitz

Meike Neitz studierte Internationale Beziehungen an der TU Dresden und am Boston College, und hält einen Master in Politischer Kommunikation von der University of London (Goldsmiths College). Nach langjähriger Tätigkeit im Ausland machte sie sich 2016 selbstständig und berät nun mit ihrer Agentur “Die Zukunftsmanufaktur” Mittelständler und Start-ups in der Kommunikationsarbeit: Content Strategie, klassische PR, Pitchtraining. Sie ist als Keynote-Speakerin auf Konferenzen in ganz Deutschland unterwegs.