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Neue Studie zeigt, was Zoom wirklich mit unserer Psyche macht

Zoom, Videochat, Smartphone
Unsplash.com / Ben Collins
geschrieben von Marinela Potor

Eine neue Studie zeigt, welche Nebeneffekte häufige Videochats haben können. Ein besonders verstörender Effekt: die Zoom-Dysmorphie. Dabei entwickeln Menschen eine gestörte Selbstwahrnehmung, die zu schweren psychischen Problemen führen kann. 

Im Sommer 2020 entdeckten mehrere Dermatolog:innen und Schönheitschirurg:innen einen merkwürdigen neuen Trend. Immer mehr Menschen kamen in die Praxis und erklärten, dass sie ihr Gesicht nicht mehr mochten.

Es stellte sich heraus: Dadurch, dass so viele Menschen durch die Corona-Pandemie extrem viel Zeit in Zoom-Meetings verbrachten, hatten sie eine gestörte Selbstwahrnehmung entwickelt. In einer ersten wissenschaftlichen Einschätzung nannte ein Forschungsteam diesen seltsamen neuen Effekt „Zoom-Dysmorphie.“

Was ist Zoom-Dysmorphie?

Bei der Zoom-Dysmorphie entwickeln Menschen nach exzessiver Nutzung von Videochat-Tools wie Zoom ein gestörtes Selbstbild. Warum wirkt meine Nase so groß? Ist meine Haut zu faltig? Stehen meine Ohren zu sehr ab?

Dadurch, dass wir bei Zoom und ähnlichen Videochat-Programmen sehr lange, sehr häufig und sehr intensiv unser eigenes Spiegelbild sehen, fallen uns immer stärker alle – gefühlt – unschönen Details in unserem Gesicht auf.

Diese Facial-Feedback-Hypothese ist nichts Neues. Sie stammt aus dem 19. Jahrhundert. Ursprünglich geht es darum, dass ein bestimmter Gesichtsausdruck unsere Emotionen beeinflussen kann. Die Idee: Wenn jemand gezwungen lächelt, fühlt er sich danach wirklich besser, auch wenn der Gesichtsausdruck nicht echt war.

Im Zusammenhang mit Online-Selbstbildern geht die Theorie aber noch einen Schritt weiter. So geht man davon aus, dass die konstante Wahrnehmung von bestimmten Gesichtern dazu führt, dass wir unsere eigenen Gesichter hinterfragen und im Endeffekt „verbessern“ wollen.

Social Media und Filter verzerren Selbstbild

Das Phänomen gab es natürlich schon lange vor Zoom. So haben Snapchat-Filter zur „Snapchat-Dysmorphie“ geführt, bei der junge Menschen sich so an ihre Gesichter mit Filtern gewohnt hatten, dass sie sich wünschten, ihre echten Gesichter würden auch so aussehen.

Auch auf Instagram führen Anwendungen wie Facetuning, bei denen man das eigene Gesicht mit Bildbearbeitungsprogrammen „perfektioniert“ häufig zu Unsicherheit gegenüber dem eigenen Aussehen und dem Wunsch, das eigene Gesicht dem angewendeten Filter anzupassen.

Die Zoom-Dysmorphie ist eine neue Variante dieses Effekts. Wie das Forscher-Team jetzt in einer weiterführenden Studie feststellte, kann die Zoom-Dysmorphie zu schweren psychischen Belastungen führen.

Zoom löst Angstzustände und den Wunsch nach Schönheits-OPs aus

Der größte Unterschied zu anderen Social-Media-Selbstwahrnehmungsstörungen ist: Anders bei den Filtern von Facetune oder Snapchat glauben die Betroffenen, dass sie in den Zoom-Konferenzen ihr echtes Gesicht sehen.

Genau das scheint viele sehr stark zu belasten. Wie die Studie offenbart: Von 7.000 Befragten entwickelten 71 Prozent davon Angstzustände davor, anderen Menschen wieder persönlich zu begegnen.

Etwa 30 Prozent der Befragten gaben zu, dass sie aufgrund ihrer Zeit auf Zoom beschlossen hatten, eine Schönheitsoperation vorzunehmen. Und 64 Prozent hatten deshalb schon professionelle Hilfsstellen aufgesucht.

Insbesondere die jüngere Altersgruppe zwischen 18 und 24 Jahren war von der Zoom-Dysmorphie betroffen. Das Tragische daran: Zoom zeigt nicht wirklich unser Spiegelbild. Denn durch die Frontalkamera entsteht ein kleiner Verzerrungseffekt, wie man ihn auch aus einem Spiegelkabinett kennt.

So verzerrt Zoom dein Gesicht

Tatsächlich sorgt die Perspektive dafür, dass unsere Nase größer erscheint als sie ist. Unsere Augen wirken dagegen kleiner als sie es in Wirklichkeit sind. Hinzu kommen andere verzerrende Effekte.

Wir sitzen sehr viel näher an der Kamera als uns jemand im wahren Leben je gegenübersitzt. Niemand – außer eventuell der eigene Partner oder enge Familienmitglieder – sehen unser Gesicht wirklich aus der gleichen Perspektive wie die Zoom-Kamera uns aufnimmt.

Gleichzeitig sieht man sich bei Zoom – anders als bei einer Selfie-Pose zum Beispiel – in Aktion. Und beim Sprechen kommt es natürlich vor, dass man mal die Stirn runzelt und dadurch Falten entstehen oder dass man mal eine Augenbraue hochzieht und die Gesichtszüge kurzzeitig etwas seltsam erscheinen.

Das heißt: Zoom wirkt wie dein echtes Spiegelbild, doch in Wirklichkeit sehen wir nicht so aus.

Zoom-Dysmorphie: Schweigen ist der größte Fehler

Dennoch haben wir haben uns vermutlich alle schon mal dabei erwischt, dass uns etwas an unserem Gesicht oder unserem Körper in der Zoom-Kamera gestört hat. Doch was kann man tun, wenn die Zoom-Wahrnehmung zu einer emotionalen Belastung wird?

Das Wichtigste sei das Bewusstsein dafür, dass man mit dem Problem nicht alleine ist, sagt eine der Studienautorinnen. Möglicherweise hilft es auch, sich bewusst zu machen, dass wir nicht wirklich so aussehen, wie es uns die Zoom-Kamera glauben lässt.

Wer jedoch mit den negativen Effekten einer Zoom-Dysmorphie zu kämpfen hat, sollte sich nicht davor scheuen, professionelle Hilfe zu suchen. Denn je mehr man schweigt und unter dem Effekt leidet, desto schlimmer wird es.

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Über den Autor

Marinela Potor

Marinela Potor ist Journalistin mit einer Leidenschaft für alles, was mobil ist. Sie selbst pendelt regelmäßig vorwiegend zwischen Europa, Südamerika und den USA hin und her und berichtet über Mobilitäts- und Technologietrends aus der ganzen Welt.