Social Media

Diese Frau wollte sich über Instagram lustig machen – und wurde selbst süchtig

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Aus einer Parodie von Influencern wurde eine Instagram-Sucht. (Foto: Unsplash.com / Pratik Gupta)
geschrieben von Marinela Potor

Die britische Komödiantin Bella Younger begann aus Spaß auf Instagram zu posten, um sich über Wellness-Influencer lustig zu machen. Dann wurde sie selbst süchtig nach „Likes“. Ihre Geschichte zeigt, wie sehr Instagram-Sucht unterschätzt wird. 

Es fing alles mit einem extrem unvorheiltaftem Foto an. Die britische Komödiantin Bella Younger postete ein Foto von sich auf Instagram, in dem sie verkatert unter einem Berg Pizzaschachteln sitzt und eine Zigarette raucht. Dazu wählte sie ironischerweise Wellness-Hashtags wie #eatclean und #readyformonday.

Mit dem Pseudonym „Deliciously Stella“ wollte Younger sich über Wellness-Influencer auf Instagram lustig machen, die, so empfand es Bella Younger, unverschämt gut aussahen, weiblich, reich und dünn waren und ihre Community mit Gesundheitstipps versorgten.


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Als aufstrebende Komödiantin dachte sie sich daher, dass es witzig sein könnte, sich über diese „Wellness-Gurus“ lustig zu machen, um so auch ihr eigenes Profil in der Szene zu schärfen und als Comedian erfolgreich durchzustarten.

Vom Scherz-Account zum Influencer

Ihre Idee kam überraschend gut an. Insbesondere ihre Fotos, die typische Wellness-Posten und Hashtags parodierten, brachten ihr viele Likes und Follower.

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Mit derartigen Fotos nahm „Deliciously Stella“ die Wellness-Influencer auf die Schippe. (Foto: Screenshot / Instagram)

In den ersten fünf Wochen konnte sie somit schon 1.000 Follower verzeichnen und wurde erstmals sogar in einem Print-Magazin erwähnt. Ihr Erfolg auf Instagram half ihr schließlich auch beruflich. Sie trat auf einem Comedy-Festival auf und ein Agent begann sie zu vertreten.

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McDonalds statt Beauty-Maske – das kam gut an. (Foto: Screenshot / Instagram)

Doch genau hier begann sich das Blatt langsam zu wenden. „Deliciously Stella“ war für Younger eigentlich nur eine Rolle gewesen, nicht sie selbst. Doch ihre Instagram-Persönlichkeit war genau das, was gefragt war und was sich Menschen von ihren Auftritten erhofften.

Sie schlitterte in einen Identitätskonflikt: Sollte sie wirklich auch im echten Leben und in ihren Auftritten zu Stella werden? Und was ist, wenn das Publikum generell ihr Alter-Ego mehr mochte als sie selbst? Irgendwann passierte der Wandel dann von selbst.

Instagram-Sucht: Likes bestimmen Tageslaune

Je mehr Follower sie sammelte, je mehr Lob sie für ihre Posts bekam und je stärker ihre Rolle als Stella zu einer lukrativen Einnahmequelle wurde, desto mehr verschwammen die Grenzen. Bella wurde schließlich zu Stella.

Und dann passierte etwas, worüber sie sich anfangs bei den Wellness-Influencern lustig gemacht hatte: Ihr selbst wurden die Kommentare, die Zahl der Follower und die Likes unter ihren Fotos immer wichtiger. So wichtig, dass diese Metriken bestimmten, ob es ihr an einem Tag gut oder schlecht ging.

Psychische Probleme und Job-Verlust

Zu ihren Hochzeiten hatte Deliciously Stella 150.000 Follower. Diese Bestätigung in Form von Likes und Anzahl von Followern wurde immer mehr zum Suchtfaktor. Selbst ein Zusammenbruch, der Verlust ihres Arbeitsplatzes und mentale Probleme änderten dies nicht.

Erst als die Wellness-Community auf Instagram sich vom Eat-Clean-Trend abwandte und dieses Ideal selbst hinterfragte, begann auch Bella ihre eigene Instagram-Präsenz zu hinterfragen. Im Prinzip hatte sie nun den immergleichen Witz zigfach gepostet und hatte nun niemanden mehr, über den sie sich lustig machen konnte.

Die Folgen machten sich schnell bemerkbar.

Die Abwärtsspirale beginnt

Ihre Engagement-Zahlen sanken, der Instagram-Algorithmus stufte sie herab und sie verlor schließlich Follower. Daraufhin beschloss Bella ihren Instagram-Account in den Ruhestand zu schicken und versetzte Stella über einen Post in ein virtuelles Koma.

Nur: An ihrer Instagram-Sucht änderte all das nur wenig, wie sie in einem sehr persönlichen Bericht über ihre Erlebnisse dem Guardian eingesteht.

Erst als sie nach Spanien zieht, eine Therapie beginnt und ihr echtes Leben mit positiven Menschen und Erlebnissen füllt, lässt das zwanghafte Jagen nach Bestätigung auf Instagram nach. Sie ist immer noch auf Instagram aktiv, allerdings als sie selbst und mit einem großen Unterschied.

Es ist egal, ob du lustig bist, wenn du keinen Spaß hast. Ich will immer noch, dass Menschen mich mögen. Ich will, dass sie denken, dass ich lustig bin. Der Unterschied ist jetzt aber, dass ich weiß, dass ich gemocht werde, ohne dass ich dies von Fremden bestätigt haben muss.

Die Geschichte von Bella Younger zeigt ein besonderes Phänomen der Social-Media-Sucht, das bislang noch wenig wissenschaftlich untersucht ist: Instagram-Sucht.

Instagram-Sucht gefährlich fürs Selbstwertgefühl

In einer der wenigen Studien zu diesem Thema, die 2018 im Fachjournal „Journal of Behavioral Addictions“ erschienen ist, schreiben die Autoren, dass sich Instagram durch einige Besonderheiten wie das Posten von Selfies, die „Like-Funktion“ sowie die Ansammlung von Followern von anderen sozialen Netzwerken wie etwa Facebook unterscheidet.

Bei der Instagram-Sucht gehe es weniger darum, wie viel Zeit jemand in den sozialen Netzwerken verbringt, sondern vielmehr um das Jagen von Likes.

Instagram fördert demnach verstärkt die externe soziale Bestätigung durch diese Mechanismen, sodass insbesondere bei Menschen, die sich selbst nicht besonders mögen, irgendwann die digitale Bestätigung durch Likes und Follower zur Selbstbestätigung wird.

Zu einem gewissen Grad ist es natürlich normal, dass unser Selbstbild und unser Selbstwertgefühl auch davon abhängen, wie uns andere Menschen wahrnehmen. Doch bei der Instagram-Sucht wird die Bestätigung durch Social-Media-Metriken zum einzigen Maßstab, der zählt.

Frei sein wichtiger als Likes

Wie bei einer Drogensucht werden dann bei neuen Followern oder vielen Likes unter einem Post Glückshormone freigesetzt. Man fühlt sich gemocht, bestätigt, wichtig und besonders. Es ist wie ein High. Entsprechend fällt man dann in ein Loch, wenn andere dem eigenen Konto entfolgen oder negative Kommentare hinterlassen.

Und wie die Erfahrung von Bella Younger zeigt: Es ist leichter in diese Spirale zu verfallen, als man denkt. Für Bella Younger war der Weg aus dieser Abwärtsspirale das „echte“ Leben abseits von Social Media.

Mein echtes Leben musste erst voll werden, bis ich begriffen habe, wie leer mein Leben durch Pixel geworden war.

Die Bestätigung auf Instagram ist für Bella Younger nach wie vor wichtig. Doch sie definiert sich nicht mehr darüber. Oder wie sie selbst sagt: Es nicht so wichtig etwas Besonderes zu sein, wie es ist, frei zu sein.

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Über den Autor

Marinela Potor

Marinela Potor ist Journalistin mit einer Leidenschaft für alles, was mobil ist. Sie selbst pendelt regelmäßig vorwiegend zwischen Europa, Südamerika und den USA hin und her und berichtet über Mobilitäts- und Technologietrends aus der ganzen Welt.