Sonstiges

Deutsche "Wired" liegt am Kiosk. Liest sich gut. Kauft sie!

Wenn man heute etwas über die erste Ausgabe der deutschen „Wired“ schreibt, muss man sie entweder in den Himmel loben oder verreißen, um überhaupt gehört zu werden. Entscheiden müsst ihr wie immer selbst. Ich kann euch hier nur meinen ersten Eindruck geben. „Wired“ auf deutsch erschien heute in Zeitschriftenhandel im Paket mit dem Männer-Lifestyle-Magazin „GQ“. Das wurde im Vorfeld vor allem von Frauen kritisiert, die dadurch einen Grund weniger haben, sich das Technikmagazin zu kaufen. Sicher nicht zu Unrecht, auch wenn der Verlag Condé Nast wohl zu allererst an mögliche Absatzmärkte gedacht hat. Technik ist nach wie vor größtenteils Männersache, aber so ändert man daran natürlich nichts.

Beim Preis für 5 Euro für beide Hefte (die „Wired“ soll Ende des Monats noch einmal einzeln für 3,80 Euro auf den Markt kommen), kann man allerdings die „GQ“ zur Not direkt entsorgen. Oder einem Geek schenken, denen die „Wired“ den Schwerpunkt gewidmet hat. Was unterscheidet einen Geek vom Nerd? „Wired“ klärt auf:

Geeks sind ebenfalls vernarrt in ihr Fachgebiet, doch wollen sie andere für das Feld begeistern, mitreißen. Sie sind extrovertiert und kommunikativ. „Geek“ ist ein positives Wort. Bei der „Süddeutschen Zeitung“ fand es im vergangenen Jahr neunmal Verwendung. Das sagt viel über die Haltung Deutschlands gegenüber jenen Menschen aus, die sich für Technik begeistern.

Nicht ganz unpassend also die Nähe zur GQ. Der Inhalt? Ich hatte heute nur eine knappe Dreiviertelstunde, um mir in der Bahn auf den Weg zu Arbeit einen ersten Eindruck zu verschaffen. Aber mein Zwischenfazit ist positiv.

Es fängt bei der Mannschaft an, die „Wired“ um sich versammelt hat und die sich wie ein Who-is-Who der deutschen Technikjournalisten lesen. Blogger und Medienjournalist Thomas Knüwer ist Chefredakteur. Theresa Bücker, Richard Gutjahr, Anke Gröner, Mario Sixtus, Thomas Wiegold, Christian Jakubetz und Jeff Jarvis sind nur einige der mir bekannten Autoren und Redakteure, die am Inhalt mitgewirkt haben. Quasi als Highlight hat Knüwer auch Gunter Dueck zu einem Gastbeitrag bewogen, der den meist beachteten Vortrag auf der diesjährigen Re:publica hielt.

Für die Inhalte hat das Team deutsche Vordenker der Internet- und Technikszene porträtiert. Ein Fokus auf die aktive Technikgesellschaft in Deutschland, die leider noch immer zu sehr im Untergrund stattfindet. Beatrice Lugger über Mendeley-Gründer Victor Henning, Thomas Wiegold über Sandro Gaycken, der sich gerne mit Generälen und Politikern anlegt. Daniel Erk über Bernd Kolb, der die klügsten Köpfe der Welt in einem Think Tank versammeln will. Zwischendrin, wie in der US-Originalausgabe der „Wired“ auch, immer wieder Infografiken, etwa über die globalen Handelsrouten des Verbrechens (viel führt nach Deutschland) oder der „Maßterplan“ mit Hintergrundinfos über das Oktoberfest auf einer sehr liebevoll gestalteten Illustration von Christoph Hoppenbrock. Direkt neben dem Editorial schon jetzt eine Seite mit Nostalgiefaktor: eine Anzeige für das inzwischen eingestellte HP TouchPad.

Hätte man das alles noch besser machen können? Ja, sicher. Ist das trotzdem ein verdammt gutes Erstlingswerk? Teufel, ja. Wird „Wired“ ab jetzt dauerhaft erscheinen? Ich will es doch hoffen. Aber dafür muss es raus aus der Nerd-Ecke und rein in die Regale zwischen „Neon“ und „Spiegel“. „Gebt das Land den Geeks“, fordert das Team in der Titelgeschichte. Oh ja, bitte!

(Jürgen Vielmeier)

Über den Autor

Jürgen Vielmeier

Jürgen Vielmeier ist Journalist und Blogger seit 2001. Er lebt in Bonn, liebt das Rheinland und hat von 2010 bis 2012 über 1.500 Artikel auf BASIC thinking geschrieben.

20 Kommentare

  • Also die ersten zwei Läden, in denen ich war, hatten das Heft nicht.
    War schon schwierig nach der GQ zu fragen. Der Verkäuferin dann noch erklären zu müssen, was das für ein Printprodukt ist: seeeehhhr unangenehm (bei vollem Laden).
    Dann muss ich wohl heute noch einen Umweg zur Bahnhofsbuchhandlung machen…

  • Höre gerade das erste mal von Wired! Sieht aber ziemlich spannend aus!! Später gehts in die Stadt und dann kauf ich sie mir mal, um meine eigene Meinung zu bilden.

  • Die Koppelung mit der GQ ist keine gute, und auch keine naheliegende Idee. Was kommt als nächstes? Wired zusammen mit ‚Das Haus‘, ‚Tatoo Magazin‘, ‚Brigitte‘, ‚Nido‘, ‚Eltern‘ oder ‚Gitarre und Bass‘?

  • @Nicole Haase:
    Hmm…. und dabei ist es in manchen (Ost-)Ländern usus, dass die ganze Familie sogar sowas wie den Playboy liest… 🙂

  • Naja für ne GQ muss man sich nun aber auch nicht schämen, egal ob Mannlein, oder Weiblein 😉

  • Wie hiess nochmal dieses lächerliche Hipster-Blatt nach US-Vorbild, dass letztes Jahr mit enormen Getöse die deutschen Medienwelt umkrempeln wollte? Keine Ahnung mehr, denn heute gibt es das nicht mehr. Und genau so wird es auch diesem Käseblatt ergehen, so meine Prognose. In DE reichen 10 doppelseitige Hochglanzposter und 3 Zeilen dazugehöriger Text eben nicht aus, um echte Leser zu binden. Da hilft es auch nicht, wenn man Blogger über 3 Ecken zu Werbelobliedern besticht.

  • Ist das auch solch eine Werbewüste wie die US-Version? Weite Strecken von Anzeigen, die ab und zu unterbrochen werden von einigen doch eher dünnen und inhaltlich entsprechend seichten Berichten. Nichts, was man auch noch finanziell unterstützen müsste.

  • @Plumsi: Ist schon ziemlich groß, wie du offenbar nicht mal reingeschaut hast, trotzdem genau weißt, was du drinnen siehst und mir indirekt auch noch Bestechung vorwirfst.

    @Kahunablogger: Nicht übermäßig viel Werbung. Und die, die drin ist, ist ziemlich kreativ gemacht. Aber das erzähle ich vermutlich dem Falschen. 😉

  • Also ich kann mir schon gut vorstellen, dass GQ und Wired mittlerweile ein ähnliches Zielpublikum haben. Ich versteh auch nicht, warum man sich für den kauf einer GQ schämen müsste. Ist schließlich kein Pornoheft, sondern ein Lifestyle-Magazin (oder so was ähnliches). Sex hat dort auch keinen bedeutend höheren Stellenwert, als in diversen Frauenzeitschriften.
    Schade finde ich es trotzdem, dass ich die Wired vorerst nicht ohne GQ kaufen kann. Die interessiert mich nämlich reichlich wenig.

  • Ich werde die WIRED nicht kaufen, denn ich kann sie nicht kaufen! Die GQ könnte ich kaufen, werde ich aber nicht!

    Ich kaufe kein Metrosexuellen-Schrottblatt dass Frauen kaufen um ihren Männern zu zeigen wie sein sollten.

  • Also mich hat die Wired nicht überzeugt. Auf den 130 Seiten gabs für mich so gut wie nichts Neues. Fast alle Informationen waren veraltet und viel zu oberflächlich.
    Ich werd mir die nächsten Ausgaben mal kaufen um zu sehen wie es sich entwickelt, ich hoffe, die kriegen die Kurve noch.
    Aber dazu muss ich auch sagen, dass ich regelmäßig c’t, ix, SdW und viele Techblogs lese..
    Was mir gut gefällt ist die Aufmachung.

  • „…kann man allerdings die “GQ” zur Not direkt entsorgen…“

    auch ohne Not… 😉

  • ich bin froh dass es wieder eine zeitschrift in der richtung gibt. ähnelt layoutmäßig sehr dem tomorrow magazin, das leider vor einigen jahren eingestellt wurde.