Technologie

Digitale Transformation im Fußball (2/5): Mit Crowdsourcing zu Ideen und Geld?

Digitale Transformation im Fußball
geschrieben von Philipp Ostsieker

Die Begeisterung für Sport ist ungebrochen. Doch die Aufmerksamkeit von Fans und Sponsoren beschränkt sich längst nicht mehr nur auf das Ereignis oder den Spieltag selbst. E-Gaming, Start-up-Investitionen oder virale Vermarktungskampagnen – Philipp Ostsieker führt in seiner Kolumne Matchplan durch die innovativen Ideen der Sportbranche. Diesmal: Die digitale Transformation im Fußball.


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Nachdem in der letzten Woche das Thema Digitale Ökosysteme im Mittelpunkt stand, dreht sich der heutige Beitrag um das Thema Crowdsourcing. Welche Themen oder Geschäftsbereiche sind also für Klubs im Profifußball geeignet, um auf verschiedene Kompetenzen oder Ideen der Crowd zuzugreifen? Und welche Anforderungen muss gleichzeitig die Crowd erfüllen, um dem Klub einen relevanten Mehrwert zu liefern? Auch diesmal bilden die Überlegungen aus dem Report Football’s digital transformation. Growth opportunities for football clubs in the digital age die inhaltliche Grundlage.

Die These: Digitales Teamwork ist der Weg um im digitalen Zeitalter mitzuspielen und zu gewinnen.

Die Kernaussagen:

  • Crowdsourcing bietet eine spannende Möglichkeit für Vereine, aus der Leidenschaft und Loyalität ihrer Fans neue Mehrwerte zu generieren.
  • Den Fans ernsthaft zuzuhören, wird sowohl für effektive Geschäfts-, Finanz- als auch Performance-Lösungen die Türen in Bezug auf Kosten und Zeit öffnen.
  • Das direkte Fan-Involvement zur Lösung von Klub-Herausforderungen wird die Loyalität der Fans stärken und deren Engagement einen Schritt voranbringen.

Merchandising, Web-Design, Klub-Historie: Der Fan als (Mit-)Entscheider

Die Maßnahmen, Fußballfans inhaltlich, und nicht ausschließlich mit einseitigen Kommunikationsmaßnahmen, zu aktivieren, nehmen zu. Der VfL Wolfsburg rief 2012 beispielsweise einen Design-Wettbewerb ins Leben, um innovative Merchandising-Artikel zu entwickeln. Rund einen Monat hatte die Design-Community auf jovoto.com Zeit, um Ideen zu entwickeln, die dann von der Community sowie den VfL-Fans bewertet wurden.

Der Premiere-League-Klub Mancherster City startete 2013 die Kampagne #citystories. Anhänger des Klubs konnten sich auf einer neu entwickelten Plattform weltweit vernetzen und ihre Geschichten rund um den Verein teilen. Die Plattform wurde wiederum von der eigenen Fan-Basis organisiert und moderiert.

Nachdem die Website des AS Rom als eine der schlechtesten unter allen 32 Teilnehmern der Champions League gewählt wurde, machten auch die italienischen Verantwortlichen sich ihre Gedanken. Ein Fan wurde auserwählt, um via Reddit eine Crowdsourcing-Kampagne ins Leben zu rufen und zu moderieren, um ein neues und besseres Web-Design zu entwickeln. Das Projekt lief unkonventionell, aber gleichermaßen sehr konstruktiv ab.

Viele dieser Crowdsourcing-Maßnahmen funktionieren aktions- oder anlassbasiert. Eine regelmäßige Auslagerung von Themen an die Crowd ist noch nicht zu erkennen. Klubs zeigen hier erst einmal, dass sie ihre Fans einbeziehen und ihre Meinung schätzen. Fraglich ist, ob die Klubs Crowdsourcing als moderierte PR-Aktion betrachten oder ob sie wirklich bereit sind, ihren Anhängern ernsthaft und nachhaltig für wichtige Entscheidungen zu vertrauen.

Crowdlending & Crowdfunding für Fußballklubs: Win-win oder Loyalitätsrisiko?

Die nächstliegende Form des Crowdsourcings ist der Versuch, direkte Erlöse über die Crowd, also die eigene Fan-Basis, zu generieren. Die Etats von Fußballklubs bestehen grundsätzlich aus vier finanziellen Säulen: Erlöse aus dem Verkauf der TV-Rechte (Einzel- oder Zentralvermarktung) und Spieltagseinnahmen vor allem durch Eintrittskarten, Werbeeinnahmen verschiedener Sponsoren sowie dem Fanartikelverkauf. Wer mehr Geld braucht, muss andere Quellen erschließen. So sind 22 europäische Fußballklubs, wie z.B. Borussia Dortmund, an der Börse notiert – die Geldgeber sind bei diesem Modell aber mittlerweile überwiegend Großaktionäre und institutionelle Anleger.

Einige Vereine richten sich währenddessen direkt an ihre Fans. Das Modell Crowdlending ist simpel: die Vereine leihen sich zu einem Zinssatz von ca. fünf Prozent Geld bei ihren Anhängern. Für die Vereine sind derartige Zinssätze nicht denkbar, wenn sie ganz klassisch bei einer Bank anfragen würden. Für die Fans sind Sätze zwischen fünf und zehn Prozent speziell im Jahr 2016 extrem hoch.

Bislang fällt allerdings auf, dass diese Art der Finanzierung meist nur zur kurzfristigen Sicherung von Liquidität und Wettbewerbsfähigkeit geeignet sind und selten einer mittel- oder langfristigen Strategie dienen. Einige Vereine hatten in der jüngeren Vergangenheit Probleme mit der Rückzahlung, setzen aber oft auf die besondere Emotionalität ihrer Fans und deren Verständnis für eine Fristverlängerung oder gar einen kompletten Verzicht.  Generell entsteht Crowdfunding im Fußball oft in Notlagen und es ging bei Beispielen wie etwa dem VfL Osnabrück oder Rot-Weiss Essen in der Vergangenheit um die kurzfristige Einhaltung von Lizensierungsauflagen.

Trotz Crowdfunding-Größen wie Kickstarter ist noch kein deutlicher Bezug zur digitalen Transformation zu erkennen. Lediglich das Fanprojekt deinfussballclub.de, unterstützt von Star-Regisseur Sönke Wortmann, für den Traditionsklub Fortuna Köln, konnte zwischen 2008 und 2011 mit 10.000 registrierten Nutzern für Schlagzeilen sorgen, am Ende aber die Erwartungen aller Beteiligten nicht mehr erfüllen.

Ein Crowdsourcing-Experiment im American Football

Ein sehr spannendes Modell mit relativ direktem sportlichen Einfluss ist im amerikanischen College Football entstanden. Tony Franklin, “Offensive Coordinator” der California Bears, sammelt jede Woche Input von landesweit 250 High-School-Trainern. Ursprünglich war angedacht, dass sich die ambitionierten Trainer bei Franklin Ratschläge zu unterschiedlichen Themen holen könnten. Nach kurzer Zeit hat sich die Fragestunde zu einem offenen Dialog entwickelt, in welchem der Offensive Coordinator neue, unkonventionelle Ideen präsentiert und seine 250 Trainer-Kollegen als eine Art Fokusgruppe einbezieht.

Und das Modell ist nicht nur zur Generierung von Ideen geeignet. Die Beteiligten profitieren auch von einer verbesserten Spielerbewertung sowie entsprechend neuen Quellen zur Rekrutierung von Talenten – sowohl von Spielern als auch Trainern. Coach Tony Franklin hat rund 250 Kunden, die für eine Jahres-Mitgliedschaft zwischen 1.595 und 1.995 US-Dollar zahlen. Dafür können Sie ihn regelmäßig bei speziellen Fragen zu Rate ziehen und erhalten einen nahezu vollständigen Zugriff auf sein “Offensive Playbook”, diverse Spielzüge oder Trainingspläne.

Crowdsourcing im Fußball steckt noch in den Kinderschuhen

Crowdsourcing bietet in der digitalen Welt ohne Frage zahlreiche spannende Optionen. Fußballklubs sehen ihre Chancen dabei eindeutig in der ohnehin hohen Loyalität sowie des starken Involvements ihrer Anhänger. Die Themen Crowdlending und Crowdfunding sind daher eher kritisch zu betrachten. Fans sind bei einem ordentlichen Zinssatz zwar in der Lage, ihren Verein finanziell zu unterstützen, das Risiko einer Unzufriedenheit bleibt aber. Beim Crowdsourcing geht es grundsätzlich darum, auf die verschiedenen Kompetenzen und Ideen der Mitglieder der Crowd zurückzugreifen und dabei möglichst auch noch Kosten zu sparen. Daher erscheint es fraglich, ob hier wirklich “der einfache Fan” ein relevanter Teil wertbringender Crowdsourcing-Maßnahmen sein kann.

Das Mitspracherecht bei Merchandising-Artikeln oder Website-Designs ist sicherlich ein netter Ansatz, um die eigenen Anhänger zu verschiedenen Anlässen zu aktivieren oder zu emotionalisieren. Tendenz: Um einen entscheidenden Beitrag zur “Digitalen Transformation” zu leisten, braucht es mehr als anlassbezogene Marketingmaßnahmen. Es braucht eher Werkzeuge, die Klubs und Anhänger kontinuierlich und nachhaltig zusammenbringen können.

Interessant ist in diesem Zusammenhang der Ansatz, für spezifische Themen fokussierte, kleinere “Crowds” einzubeziehen. Die Diskussion kann wie beim Beispiel der Crowd aus Highschool-Trainern fachlich auf Augenhöhe geführt werden. Konkrete Problemstellungen können entsprechend über einen längeren Zeitraum bearbeitet und gelöst werden. In diesem Ansatz wird das Wissen aller geteilt und gleichberechtigt für neue Projekte zur Verfügung gestellt. Fraglich ist, ob dies im harten Wettbewerb auf und neben dem Platz ein alltagstaugliches Modell sein kann.


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Über den Autor

Philipp Ostsieker

Philipp Ostsieker ist Medien- und Digitalmanager aus Hamburg. Neben seiner hauptberuflichen Tätigkeit als selbstständiger Digital Content Strategist schreibt Philipp für BASIC thinking die Kolumne „Matchplan“, in der er über den Tellerrand blickt und durch die innovativen Ideen der Sportbranche führt.

3 Kommentare

  • Ich persönlich denke, dass kein Verein oder Klub auf Dauer „überleben“ wird, ohne die Rechnung mit den Fans zu machen. Die Zuschauer werden immer weiter in den Fokus rücken, da die fortschreitende Kommerzialisierung auf diesen aufbaut. Die Klubs müssen für Ihre Fans einfach presenter sein, auch auf der social media basis, damit sie interessant bleiben. Denn kein Fan will nicht in die Prozesse involviert werden und nicht das Gefühl haben, mit an Entscheidungsprozessen beteiligt zu sein.

  • Ich denke auch, dass Crowdsourcing für Fußballclubs noch in den Kinder(-Fußballschuhen) steckt und wohl auch stecken bleibt. Fußball ist online einfach nicht so greifbar wie offline. LG

  • Hallo zusammen,
    Crowdsourcing bietet auf jeden Fall viele Chancen in der Fussballbranche. Ich kann nicht genau sagen, wie es dem VfL Osnabrück finanziell ergeht, aber ein Projekt in dem der Osnabrück auch involviert ist, heißt: Im Derby-Dreieck. Es ist von keinem der drei Vereine (Osnabrück, Münster und Bielefeld) initiert worden, sondern von einem externen Filmemacher, der eigentlich einen Dokumentarfilm über einen Erstligaverein produzieren wollte. Natürlich wurde das Film-Projekt von den Vereinen unterstützt, aber ich finde das ist ein klasse Beispiel was Crowdfunding möglich macht!