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Pharmaindustrie entdeckt neue Form von Marketing: Patienten-Influencer

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Influencer werden zunehmend für die Pharmaindustrie interessant. (Foto: Pixabay.com / rawpixel)
geschrieben von Marinela Potor

Erst war es Mode, dann Food und Kosmetik, anschließend Reisen und Lifestyle und zuletzt sogar Autos. Doch jetzt hat eine völlig neue Branche die Macht der Influencer entdeckt: die Pharmaindustrie – und die neuen Influencer sind Patienten.

Doch was genau ist eigentlich ein Pharma-Influencer? Denn die Vorstellung, dass kranke Menschen ein Selfie mit einer Pillenpackung posten, ist ziemlich makaber und sicherlich auch nicht besonders Marketing-tauglich.

Deswegen geht die Branche subtiler an das Thema heran. Sie arbeitet vor allem mit Patienten, die eine treue Social-Media-Followerschaft haben und bereit sind, über ihre Erfahrungen mit Medikamenten und ihre Krankheit öffentlich zu sprechen.


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Diese Influencer haben sogar einen eigenen Namen: Patienten-Influencer oder „Pinfluencer“.

Wer sind die Patienten-Influencer?

Es sind vor allem die Micro-Influencer, auf die sich die Pharmakonzerne dabei konzentrieren.

Denn diese haben einen engeren Kontakt und vor allem einen regeren Austausch mit ihren Followern. So können Micro-Influencer das Verhalten ihrer Fans stärker und direkter beeinflussen.

Interessanterweise finden die Pharmakonzerne diese Patienten-Influencer aber nicht vorwiegend auf Instagram, wie viele andere Branchen, sondern vor allem auf Facebook und Twitter.

Das hat mehrere Gründe. Zum einen sind die Menschen, die sich über Gesundheitsthemen unterhalten tendenziell älter und somit eher auf Facebook und Twitter unterwegs.

Auch eignen sich die beiden Plattformen besser für den direkten Erfahrungsaustausch zwischen Nutzern. Und schließlich sind Krankheiten sicherlich nicht immer das Instagram-freundlichste Thema.

Die Patienten-Influencer sind natürlich auch privat an Gesundheitsthemen interessiert und berichten über neue Studien, eigene Erfahrungen oder persönliche Rückschläge.

Eine besonders aktive Patienten-Influencerin ist die Bloggerin und Brustkrebspatientin Anna-Marie Ciccarella. Ciccarella ist vor allem auf Twitter aktiv und postet hier regelmäßig über Gesundheitsthemen. Neben ihren persönlichen Posts wird sie für andere Posts von der Gesundheitsindustrie bezahlt.

Das funktioniert jedoch etwas anders als bei klassischen Influencern.

Influencer steigern Verkaufszahlen

Ciccarella arbeitet zum Beispiel mit der Agentur Wego Health zusammen. Wego Health bringt über eine Online-Datenbank Patienten mit Pharmakonzernen zusammen.

Interessierte Influencer melden sich an und können Konzerne kontaktieren. Die Unternehmen wiederum können sich über die Plattform ebenfalls direkt an die Influencer wenden, die für sie interessant sind. Wego Health kassiert natürlich eine Vermittlungsgebühr.

Auch die Zusammenarbeit läuft etwas anders ab. Während ein Influencer auf Instagram zum Beispiel dafür bezahlt wird, dass er ein Produkt postet, verdienen Patienten-Influencer ihr Geld auf mehreren Wegen.

Das eine ist der direkte Post eines Produktes. Darüber hinaus werden sie aber auch für ihre Meinung und ihr Feedback zu bestimmten Medikamenten bezahlt. Schließlich schicken die Konzerne die Influencer ebenfalls auf Konferenzen und Events und bezahlen ihnen ihren Aufwand.

All das ist für die Pharmaindustrie sehr lukrativ. Ein Konzern berichtet zum Beispiel, dass ihre Media Impressions durch die Zusammenarbeit mit Influencern von 100.000 auf 13,2 Millionen angestiegen seien.

Dies spiegelt sich auch in den Verkaufszahlen wider. Patienten, die von einem Influencer über ein Medikament hören, fragen bei ihrem Arzt nach – und lassen sich dieses häufig verschreiben.

Ein weiterer Vorteil für die Unternehmen sind die Patienten-Daten selbst. Denn für Pharmakonzerne ist es nicht so leicht, valide Informationen zu Nebeneffekten oder zur Wirkung ihrer Medikamente direkt von den Patienten zu erhalten.

Theoretisch könnten damit die Medikamente leichter verträglich werden oder für bestimmte Gruppen angepasst werden.

Wie ethisch sind Medikamenten-Postings?

Bislang ist der Trend zu den Patienten-Influencern fast ausschließlich ein US-Phänomen. Das liegt vor allem daran, dass diese Art von Medikamenten-Werbung in Europa sehr viel strenger reguliert ist.

Auch ergeben sich um das Thema viele ethische Fragen für die Influencer. Ein Shampoo zu empfehlen, mit dem ein Follower nicht zufrieden ist, wird einem Influencer sicherlich keine Albträume bescheren.

Was passiert aber, wenn man ein Medikament empfiehlt, das bei einer anderen Person zu starken Nebenwirkungen führt? Das ist sicherlich für viele Influencer ein großes Hemmnis. Doch auch für die Nutzer ist das Thema problematisch.

Wir nehmen es hin, dass eine Mode-Bloggerin ein Paar Schuhe empfiehlt und dafür vom Hersteller bezahlt wird. Doch wenn ein Influencer vorgibt, sich um unsere Gesundheit Sorgen zu machen, dafür aber gleichzeitig Geld kassiert, hat das einen unangenehmen Nebengeschmack. Auch wenn die Person voll hinter einem Medikament oder einer Behandlung steht.

Patienten-Influencer stark reguliert

Aus all diesen Gründen sind bezahlte Gesundheits-Empfehlungen auf sozialen Netzwerken im Verhältnis zu anderen Themen selbst in den USA überraschend stark reguliert.

Denn während es üblicherweise reicht, einen Hashtag wie zum Beispiel #ad zu setzen, ist die Kennzeichnung für gesponserte Hinweise auf Medikamente komplizierter.

So müssen Influencer unter anderem Informationen zu Risiken und Nebenwirkungen des Medikamentes posten sowie gegebenenfalls Gruppen nennen, bei denen das Medikament nicht getestet wurde. Andernfalls droht eine Abmahnung.

Das ist zum Beispiel bei Kim Kardashian passiert als diese während ihrer Schwangerschaft ein Medikament gegen Morgenübelkeit empfahl, ohne dabei zu erwähnen, dass es bei Frauen mit einem bestimmten Krankheitsbild nicht getestet wurde. Sie musste den Post löschen.

Die nationale Gesundheitsagentur in den USA, die Food and Drug Administration, hat aus diesem Grund sogar vier Leitfaden-Papiere herausgegeben, die genau beschreiben, wie man selbst in der Kürze eines Social-Media-Posts die rechtlichen Anforderungen einhalten kann.

Die Vermittlungsagentur Wego Health sagt, sie schule die Influencer zu diesen Themen. Doch gleichzeitig gibt sie zu, dass sie natürlich nicht jeden einzelnen Post nachverfolgen könne.

Auch in Europa entdeckt Pharmaindustrie Influencer

Gleichzeitig gibt es natürlich auch eine Grauzone. Während das Posten von Medikamenten selbst stark reguliert ist, gilt dies nicht für allgemeine Gesundheitstipps.

Diese Art von „Pinfluencer“ gibt es in Europa und auch in Deutschland durchaus. Auch hier vermitteln Agenturen, wie zum Beispiel Health Relations, zwischen der Gesundheitsbranche und den Patienten.

Hierbei geht aber eher um Erfahrungsaustausch oder darum, ein Bewusstsein für ein komplexes Thema wie etwa „Darmspiegelung“ zu schaffen.

Dennoch ist klar: Auch in Deutschland entdeckt die Pharmaindustrie langsam aber sicher das Potenzial der Influencer für sich.

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Über den Autor

Marinela Potor

Marinela Potor ist Journalistin mit einer Leidenschaft für alles, was mobil ist. Sie selbst pendelt regelmäßig vorwiegend zwischen Europa, Südamerika und den USA hin und her und berichtet über Mobilitäts- und Technologietrends aus der ganzen Welt.

4 Kommentare

  • Guter Artikel, wichtiges Thema! Wir beobachten das seit Jahren. Unser Thema ist die Psoriasis (Schuppenflechte) – eine Krankheit, die noch weniger für Instagram taugt als Pillenpackungen ?

    Ja, die Pharma-Branche geht subtiler an das Thema heran. Die Firmen, mit denen wir so zu tun haben, wissen genau, wo die rechtlichen Grenzen sind und nutzen den Raum innerhalb dieser Grenzen auch aus. Am Ende gehen Leute mit riesigen Erwartungen zu ihren Hautärzten, weil sie von *dem* Wunder-Medikament gelesen oder gehört haben – und der Arzt sitzt da und muss dem Patienten sagen, dass das Medikament in seinem Fall vielleicht nicht geeignet ist oder dass es noch genügend andere, nicht so teure Arzneimittel gibt, die auch helfen können.

    Mit ihrem Marketingbudget können die Pharmafirmen auch im Netz ihre Seiten so von Profis aufstellen lassen, dass sie unabhängige Seiten wie unsere in den Schatten stellen.

    Was uns aber beinahe mehr Kopfzerbrechen bereitet, sind die ganzen unseriösen Anbieter. Für Gesunde mag ein Shampoo-Tipp nervig, aber hinnehmbar sein. Bei Kranken wird damit jedoch eine Hoffnung erzeugt, die fatal ist. Weil die vollmundigen Versprechen meist nicht gehalten werden. Aloe vera, Kokosöl, im Moment CBD-Tropfen… Wir haben schon so viele Hypes durch unser Forum ziehen sehen. Wir haben da inzwischen ein gutes Bauchgefühl und es ist nicht die Arbeit, die wir mit dem Löschen der Werbe-Threads haben, die uns ärgert. Es ist das Spiel mit dem Leiden, der Hoffnung von kranken Menschen. Das MLM-System zum Beispiel bringt dann auch noch viele, viele Verkäufer hervor, die ihr Glück und Geld im Verkaufen von Gesundheitsprodukten versuchen und Hautkranken alles versprechen, unter Missachtung sämtlicher Gesetze und Regulierungen wie dem Heilmittelwerbegesetz.

    Aloe vera, Kokosöl und all die Wundermittel mögen harmlos erscheinen, aber es setzt sich mit MMS & Co. fort und wird dann richtig gefährlich.

    Einen ganz anderen Aspekt hat das Ganze für uns auch: Seit Jahr und Tag tauschen in unserer Community Betroffene ihre Erfahrungen mit Therapien und Medikamenten aus. Natürlich schreiben wir da auch „Ja, Medikament XY kann helfen“ oder „Guck mal, mit der Pflegecreme YZ haben viele gute Erfahrungen“. Sind wir damit jetzt auch Influencer? Wir wollen das auf keinen Fall sein! In die Ecke gestellt werden wir damit aber sicherlich. Dieses ganze Influencer-Wesen zerstört eine Grundlage unserer Arbeit: unsere Glaubwürdigkeit. Wir wollen Leuten niederschwellig im Netz durch ihre Krankheit helfen. Weil wir selbst Betroffene sind und nicht, weil wir eine bestimmte Firma, eine bestimmte Therapie an den Mann bringen wollen. Aber wer glaubt uns das noch?

    • Hi Claudia!
      Ich gestehe, das erste was mir bei Psoriasis eingefallen ist, ist ein Model, das mit dem Thema zu kämpfen hat. In der Hinsicht kann man auch nicht alles, was „Influencer“ ist in einen Topf schmeißen. Es gibt solche und solche, wie bei allem. Einige sprechen wirklich aus eigener Erfahrung und machen Mut und überhaupt auf das Thema aufmerksam. Die Dame, die ich z.B. im Artikel erwähne, Anne Marie Ciccarella, empfiehlt wirklich nur das, was sie kennt und dann nicht mit diesen Heilsversprechen, sondern ziemlich nüchtern – und auch mit Verweis auf mögliche Risiken. Das kann sehr hilfreich für Betroffene sein. Die andere Seite ist die, die du auch nennst und sich natürlich auch zeigt – dass einige Influencer das weniger reflektieren und Nutzer sich damit falsche Hoffnungen machen. Ich kann mir aber vorstellen, dass es – wie bei den Internetforen – eine Lernkurve bei den Nutzern gibt, die natürlich auch nicht dumm sind und irgendwann auch merken, was dahintersteckt. Hilfreicher ist immer, wenn es dazu (gerade im Gesundheitsbereich) klarere gesetzliche Regelungen gibt. Für diejenigen, denen ein Thema am Herzen liegt und sich wirklich ernsthaft darum bemühen, gute Ratschläge zu geben, liegt, denke ich, die Zeit auf ihrer Seite. Je länger jemand agiert, je weniger Beschwerden es gibt und je seriöser die Tipps, desto ernster nehmen die Nutzer diese Person und vertrauen ihr auch eher als einem Neuling oder jemand, der Sonne, Mond und Sterne verspricht. Für Nutzer ist eigentlich immer wichtig: Achtsam sein, immer zweifeln, wenn etwas ZU gut klingt, mehrere Meinungen einholen und im Zweifelsfall dem Arzt vertrauen, der einen kennt.