Social Media Technologie

Social Media Detox: Jetzt haben auch US-Amerikaner die sozialen Medien satt

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geschrieben von Marinela Potor

Die USA sind eine der größten Tech-Nationen der Welt. Doch wie stehen die Amerikaner selbst zu all dem? Welche Trends begeistern sie, welche gehen völlig an ihnen vorbei? Genau darüber berichtet Marinela Potor – direkt aus den USA im BASIC thinking US-Update. Diesmal: Warum US-Amerikaner plötzlich ein großes Bedürfnis nach Social Media Detox verspüren. 

Neulich war ich im Netz auf der Suche nach einem „Weekend-Getaway“, wie US-Amerikaner einen Wochenendausflug nennen. In Zeiten von COVID-19 heißt das für mich: Ein Ort, den man ohne Flugzeug erreichen kann und eine nicht-geteilte Unterkunft, die idealerweise einigermaßen isoliert ist.

Dabei fiel mir in den Beschreibungen der verschiedenen Unterkünfte etwas Seltsames auf: Sehr viele warben damit, dass sie keinen Internetzugang hatten.


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Bei Berghütten oder einsamen Chalets hätte ich das noch erwartet. Aber bei Unterkünften in durchaus erschlossenen Orten? Das ist in etwa so, als würde ein Bed and Breakfast damit werben, morgens keine Brötchen anzubieten.

Nach meiner anfänglichen Verwunderung machte ich mich auf die Suche nach Antworten. Dabei fand ich ein neues, offenbar sehr dringendes Bedürfnis der US-Amerikaner, mal abzuschalten. Und das bedeutet offenbar: vom Internet und insbesondere von Social Media. Ganz klar: Social Media Detox liegt im Trend.

Social Media Detox: US-Amerikaner haben von allem genug

Digital Detox ist natürlich nichts Neues und auch durchaus ein Thema, das wir nicht nur als Hype abtun und ignorieren sollten. Dennoch ist das massive Marketing der Hotelbranche in den USA zum „völligen Abschalten“ relativ neu und reicht tiefer als ein Modewort oder vergängliche Influencer-Trends.

US-Amerikaner sind ganz offensichtlich an einen Punkt gelangt, an dem sie – auf gut Deutsch gesagt – die Schnauze voll von Social Media haben. Der Wunsch nach Social Media Detox ist dabei eine Reaktion auf viele unterschiedliche aktuelle Ereignisse.

Das Land befindet sich seit vier Jahren in einer seltsam politisch gespaltenen Lage.

Es geht dabei um existenzielle Fragen. Wie definieren wir uns als Nation? Was heißt es überhaupt US-Amerikaner zu sein? Wie gehen wir mit all unseren Bevölkerungsgruppen um? Wie können wir unsere massiven Eingriffe in die Umwelt reduzieren? Was bedeutet Familie? Was passiert mit unseren Jobs?

Von Identitätsfragen über Existenzängste bis hin zu Zukunftssorgen sind dies viele Dinge, die möglicherweise zu lange nicht offen gesellschaftlich diskutiert wurden und jetzt natürlich in der Masse auch herausfordernd, anstrengend und ermüdend sind.

Vor allem, weil sich ein großer Teil dieser Diskussion sehr aggressiv in den sozialen Medien abspielt.

Soziale Medien sind das Schlachtfeld für Grabenkämpfe

Wo man früher in seinem Facebook-Feed mit Freunden über Rezepte diskutiert hat oder auf Twitter lustige Memes ausgetauscht hat, ist nun nahezu jeder Post politisch geladen und führt früher oder später zum Grabenkampf.

Ein sehr krasses Beispiel ist für mich die Nachbarschaftsplattform Nextdoor. Hier soll es eigentlich um scheinbar harmlose Fragen gehen wie: „Welche Eisdiele empfehlt ihr?“, „Ich suche einen Babysitter“ oder: „Was kann ich gegen die Ameisenplage in meinem Garten tun?“.

Es vergeht aber kein einziger Tag, an dem nicht jede einzelne dieser Fragen früher oder später in einem Thread voller wütender Posts endet. Von der Eis-Frage landet man zum Beispiel zunächst bei verschiedenen Läden, dann bei der Frage, ob die Mitarbeiter dort Masken tragen und spätestens hier liefern sich dann Masken-Befürworter und Masken-Verweigerer einen erbitterten Kampf.

Kein Wunder, dass man dann am Wochenende oder im Urlaub davon Abstand braucht. Für US-Amerikaner, die normalerweise zu jeder Situation und sehr viel extremer als die Deutschen an ihren Smartphones, Smartwatches oder Tablets kleben, ist das durchaus beachtlich.

Durch einen Social Media Detox hoffen die Menschen daher, mal etwas Ruhe von all dieser Aggressivität, aufgeladenen Stimmung und existenziellen Fragen zu bekommen.

Corona verstärkt Wunsch nach Social Media Detox

Corona hat natürlich auch in den USA dafür gesorgt, dass viele Menschen nicht nur von zu Hause aus arbeiten, sondern auf einmal nahezu alles online regeln. Das reicht vom Online-Unterricht in den Schulen über die Sport-Einheit im Videochat bis hin zu Familientreffen per Zoom.

Auf so viel Online-Input reagiert der Körper irgendwann. Mittlerweile gibt es dafür sogar Wörter wie „Zoom-Fatigue“, die diesen Zustand beschreiben.

Gepaart mit den Nachrichten, die man hier auf seinen Geräten zu Waldbränden, Demonstrationen oder dem überforderten Gesundheitssystem liest, will man dann verständlicherweise im „Weekend-Getaway“ so ziemlich alles tun, nur nicht online sein und schon gar nicht in den sozialen Netzwerken.

Genau darum ist nun auf einmal die fehlende Internetverbindung ein Marketing-Argument für Unterkünfte. Und zwar nicht nur für die typisch abgelegenen Urlaubsorte, sondern generell.

Die Frage ist natürlich, ob ein zweitägiger Social Media Detox ausreicht, wenn man nach seiner Auszeit wieder genau dort landet. Wahrscheinlich wäre es hilfreicher, Social Media Detox bewusster in den Alltag zu integrieren, um den Körper, aber vor allem die Gedanken mal zur Ruhe kommen zu lassen.

Und etwas mehr innere Ruhe könnten die US-Amerikaner derzeit wirklich gebrauchen.

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Über den Autor

Marinela Potor

Marinela Potor ist Journalistin mit einer Leidenschaft für alles, was mobil ist. Sie selbst pendelt regelmäßig vorwiegend zwischen Europa, Südamerika und den USA hin und her und berichtet über Mobilitäts- und Technologietrends aus der ganzen Welt.