Social Media Technologie

Telekommunikationsgesetz: Kommt jetzt Ausweispflicht für Messenger?

Datenschutz, Privatsphäre, Smartphone, Schreibtisch, Smartphones Gesichtserkennung, Zwei-Faktor-Authentifizierung
Unsplash / Dan Nelson
geschrieben von Marinela Potor

Wie jetzt bekannt wurde, plant das Bundesinnenministerium einen neuen Nachtrag im Telekommunikationsgesetz. Demnach sollen alle Bürgerinnen und Bürger, die Onlinedienste wie Messenger, E-Mail oder Skype nutzen, sich vorher mit ihren persönlichen Ausweisdaten bei den Anbietern registrieren müssen. 

Angeblich plant das Innenministerium eine Identifizierungspflicht für alle Nutzerinnen und Nutzer von „nummerunabhängigen, interpersonellen Telekommunikationsdiensten.“

Demnach müsste bald jeder, der einen Messenger, E-Mail-Dienst oder auch Telefonie-Dienste wie Skype nutzen möchte, vorab dem jeweiligen Anbieter Angaben zu Name, Adresse sowie Geburtsdatum zwingend vorlegen. Diese müssen dann überprüft werden, zum Beispiel über den Ausweis.


Neue Stellenangebote

Growth Marketing Manager:in – Social Media
GOhiring GmbH in Homeoffice
Senior Communication Manager – Social Media (f/m/d)
E.ON Energy Markets GmbH in Essen
Social Media Content Creator (m/w/d)
KLINIK BAVARIA Kreischa / Zscheckwitz in Kreischa

Alle Stellenanzeigen


Diesen Vorschlag hat das Bundesinnenministerium angeblich noch kurzfristig nachgereicht. Er soll Teil der Novelle zum Telekommunikationsgesetz werden.

Ausweispflicht für E-Mail, Messenger und vieles mehr

Das berichtete zuerst der E-Mail-Anbieter Posteo am Dienstagabend und bezieht sich dabei auf ein internes Papier aus dem Ministerium.

Da sich der Vorschlag auf interpersonelle Telekommunikationsdienste bezieht, würden darunter wahrscheinlich nicht nur klassische Messenger-Dienste wie WhatsApp oder Telegram fallen, sondern auch E-Mail-Anbieter, Voice-over-IP-Anbieter wie Skype, aber möglicherweise auch andere soziale Messenger wie etwa der Facebook-Messenger, Twitter-Nachrichten oder auch Slack oder Zoom.

Die persönlichen Informationen der Nutzerinnen und Nutzer würden aber nicht nur dem jeweiligen Anbieter offengelegt werden müssen, sondern möglicherweise auch der Regierung. Im Text des Vorschlagspapiers heißt es nämlich:

TK-Dienste sollen verpflichtet werden, Identifizierungsmerkmale zu erheben, zu verifizieren und im Einzelfall den Sicherheitsbehörden zur Verfügung zu stellen. Somit kann zur Aufklärung von Straftaten im Einzelfall die Anonymität aufgehoben werden.

Das Ministerium wünscht sich also eine Vorratsdatenspeicherung identifizierbarer persönlicher Daten und in Einzelfällen die unverzügliche Übergabe dieser Daten zur Aufklärung von Verbrechen.

Telekommunikationsgesetz = Überwachungsgesetz?

Auslöser für den Vorschlag ist vermutlich die kriminelle Nutzung von Messenger-Diensten. Weil Dienste wie Telegram oder Signal eine gute Datenverschlüsselung bieten und eine anonyme Registrierung ermöglichen, greifen auch Kriminelle darauf zu.

In diesen Fällen ist es für die Polizei natürlich schwierig, die Verdächtigen zu identifizieren. Die Offenlegung der User-Daten sowie die mögliche Weiterleitung an die Behörden soll dies einfacher machen.

Doch Datenschützer kritisieren den Vorschlag. Linus Neumann, Sprecher des Chaos Computer Clubs, sprach von einem „beispiellosem Angriff auf europäische Werte und das freie Internet.“

Es sei ein Angriff auf die Kommunikationsfreiheit, den man sonst eher von Staaten wie China gewohnt sei.

Verfassungsrechtlich bedenklich

Auch Rechtsanwalt und Experte für Datenschutz und Medienrecht Jan Baier findet den Vorschlag problematisch.

„Es ist richtig, dass insbesondere die Anonymität in Messenger-Diensten auch von Kriminellen ausgenutzt wird“, sagt er im Gespräch mit BASIC thinking, „dies aber als Anlass für eine Registrierungspflicht zu nehmen, ist schwierig. Dazu fehlt die Grundlage.“

Aus rechtlicher Sicht sei nicht klar, ob der Vorschlag in seiner aktuellen Form einer gerichtlichen Prüfung standhalten würde, sagt Baier.

Weil sie verfassungsrechtlich und EU-rechtlich bedenklich seien, seien ähnliche Vorschläge bislang auch nicht erfolgreich gewesen.

Erst gestern entschied beispielsweise der Europäische Gerichtshof, dass die Nutzung persönlicher Daten zur kriminellen Strafverfolgung nur bei schwerwiegenden Verbrechen und nur mit einer vorher eingeholten richterlichen oder behördlichen Genehmigung rechtens seien.

Doch es gibt auch weitere Bedenken gegen einen solchen Vorstoß im Telekommunikationsgesetz.

Telekommunikationsgesetz: Hacker würden sich freuen

Zum einen müssen damit Nutzerinnen und Nutzer plötzlich einen Daten-Striptease vor Google, Facebook und Co. hinlegen. Zum anderen würden damit auch persönliche Informationen auf den Servern dieser Unternehmen liegen, die für Hacker ein gefundenes Fressen wären.

Auch stellt sich die Frage, wie die Messenger-Anbieter die Registrierung der deutschen Nutzerinnen und Nutzer praktisch umsetzen würden. Zumal es für einige Internetangebote wie etwa anonyme Beratungsstellen sehr schwierig wäre, nun plötzlich Daten verlangen zu müssen.

Ebenfalls unklar ist, wie Journalistinnen und Journalisten den Quellenschutz garantieren würden oder Psychologinnen und Psychologen sowie Ärztinnen und Ärzte die Schweigepflicht umsetzen können, wenn sogar die E-Mail-Kommunikation völlige Datenoffenlegung verlangen würde.

Gesetz durch die Hintertür?

Es ist nicht das erste Mal, dass ein Vorschlag zur Vorratsdatenspeicherung und Identifizierungspflicht im Umlauf ist.

Diese Ideen kursierten bereits in der Innenministerkonferenz. Das Wirtschaftsministerium hatte darüber nachgedacht, eine Identifizierungspflicht für Messenger im Telekommunikations-Telemedien-Datenschutzgesetz einzupflegen.

Doch der Vorschlag konnte sich nicht durchsetzen. Nun scheint es, als ob das Bundesinnenministerium mit dem Nachtrag zum Telekommunikationsgesetz die Identifikationspflicht durch die Hintertür einführen möchte.

Weil sich schon beim ersten Vorstoß viele einig waren, dass der Vorschlag nicht praktikabel sei und gegen das Grundgesetz verstoße, ist auch nun fraglich, ob sich die Idee wirklich durchsetzen kann. Auch der Bundesrat müsste dem zustimmen.

Posteo vermutet daher auch, dass der neue Vorschlag nur ein Ablenkungsmanöver sei, um von anderen – ebenfalls kritischen – Punkten im Telekommunikationsgesetz abzulenken.

Unter anderem sieht der Entwurf vor, die Definitionen von Bestands- und Verkehrsdaten breiter zu fassen, sodass sie nicht mehr datenrechtlich geschützt sein könnten.

Es kursiert ebenfalls die Idee, „Mitwirkende“ an Telekommunikationsdiensten (also alle, die Internetkommunikation für ihre Kundinnen und Kunden nutzen, wie Hotels, Krankenhäuser oder Airlines) dazu zu verpflichten, ihre Kundendaten weiterzuleiten.

Noch sind dies allerdings lediglich Forderungen. Und welche Punkte aus dem Forderungspapier es letztlich in den Gesetzesentwurf schaffen und in welcher Form, ist bislang unklar.

Auch interessant:

Über den Autor

Marinela Potor

Marinela Potor ist Journalistin mit einer Leidenschaft für alles, was mobil ist. Sie selbst pendelt regelmäßig vorwiegend zwischen Europa, Südamerika und den USA hin und her und berichtet über Mobilitäts- und Technologietrends aus der ganzen Welt.