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Neeva-Suchmaschine: Wie viel Geld ist dir Ad-freies Surfen wert?

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Screenshot / Website
geschrieben von André Gabriel

Die neue Suchmaschine Neeva zeigt dir Suchergebnisse nur gegen Bezahlung. Was im ersten Moment wie ein schlechter Scherz klingt, hat eine durchdachte Pointe. Denn Neeva bietet allen Nutzenden ein Web ohne bezahlte Anzeigen und mit mehr Privatsphäre – zunächst in den USA.

Kostenfreie digitale Leistungen sind meistens mit erheblicher Werbebelastung verbunden. Vor allem im Streaming ist das Geschäftsmodell „keine Kosten, mehr Werbung“ beliebt. Auch im Internet stoßen wir immer wieder darauf. Du möchtest die Online-Plattform vom Duden werbefrei nutzen? Dann bezahle dafür.

Wer weiter nach oben schaut, findet das Prinzip auch beim alles überdeckenden Internetgott Google. Die Suchmaschine ist ein SEA-Irrgarten: Ads, wohin der Cursor reicht. Um organische Ergebnisse zu sehen, müssen wir in der Regel scrollen oder wischen.

Neeva-Suchmaschine: Kritik an Google

Wie ein rasanter Pfeil fliegen die Gedanken sofort in Richtung Robin Hood. Da platziert sich eine neue Suchmaschine mutig vorm Internet-Endgegner und fletscht die Zähne, um die virtuelle Welt wieder in Ordnung zu bringen:

Was gut gemeint begann, um die Fülle an Informationen zu organisieren, hat sich in ein Unternehmen verwandelt, das den Großteil seiner Ressourcen auf die Monetarisierung von Klicks zur Unterstützung von Werbekunden konzentriert.

So formuliert es Neeva auf der eigenen Website und bemängelt den Ist-Zustand: „Mainstream-Suchmaschinen dienen nicht mehr in erster Linie den Benutzenden. Sie sind mit Werbung übersät und schieben die organischen Suchergebnisse weit nach hinten.“

Der Plural ist höflich. Doch wir alle wissen, welchen Algorithmus Neeva anprangert. Spannend: Die Kritik kommt aus den eigenen Reihen, denn die Neeva-Suchmaschine wurde von früheren Google-Angestellten entwickelt.

Kein Tracking, keine persönlichen Daten: Das Neeva-Konzept

In der Theorie ist die Neeva-Suchmaschine ein kleiner Held mit großen Ambitionen. Besonders kundenorientiert möchte das Unternehmen sein. Das wirkt zunächst wie ein Widerspruch zur aufgehaltenen Hand, hat bei genauerer Betrachtung aber einen wahren Kern.

Die ersten drei Monate sind gratis. Danach kostet die Neeva-Nutzung rund fünf Dollar pro Monat. Das ist allerdings nur der Early-Adopter-Preis, die tatsächliche Rate sollte höher sein. Gar nicht so wenig für etwas, das auch umsonst zu haben ist, oder?

Werbefreie Suche mit relevanteren Ergebnissen

Ja und nein. „Neeva wurde auf der Prämisse entwickelt, dass sich die Suche nur auf die Nutzenden konzentrieren sollte, nicht auf Werbetreibende“, sagt Sridhar Ramaswamy, der die Seite wahrhaftig gewechselt hat. Der CEO und Mitgründer von Neeva war bei Google als Senior Vice President für Ads und Commerce tätig.

Vom Werbe- zum Abonnementdienst: Das ist die Neeva-Idee. Im Sinne des besten Sucherlebnisses durch „relevantere Ergebnisse und höherwertige Inhalte“, wie es offiziell heißt. Mit einem klaren Versprechen: zu 100 Prozent werbefrei.

Um die Privatsphäre der User zu schützen, blockiert Neeva zum Beispiel das Tracking von Drittanbietern und verkauft sowie teilt keine persönlichen Daten. Außerdem kannst du bei Neeva immer inkognito surfen.

Ist Neeva die gute Suchmaschine?

Natürlich nicht, meckert der Ausrufezeichen und Einsen verstreuende Internet-Hooligan, weil Neeva für die Nutzung ihrer Suchmaschine Geld verlangt. Geht’s noch? Das sind schwere Eingriffe in die freiheitlichen Grundrechte!11!!1!

Der kurze Exkurs in diese bestimmte Realität des Internets soll verdeutlichen, wie festgefahren wir inzwischen googeln. Es scheint, als würden qualitative Faktoren kaum eine Chance haben. Stattdessen surft in erster Linie die Gewohnheit.

Denn sinnvolle Alternativen gibt es bereits: von der umweltbewussten Suchmaschine Ecosia bis hin zum datenschützenden Entchen Duck Duck Go. Computermaus aufs Herz: Hast du schon eine andere Suchmaschine getestet?

Welche Rolle spielen gute Argumente? Natürlich positioniert sich Neeva sehr kundenfreundlich. Doch die Gefahr besteht, dass das nur sehr wenige interessieren wird.

Make Neeva great directly

Google behauptet, Inhalte mehr wertzuschätzen. Dafür launcht das Unternehmen dann ein Update, das unser Wissen von organischer Platzierung über den Haufen wirft und bezahlte Anzeigen automatisch attraktiver macht.

Selbstverständlich ist das alles ein Business und keineswegs (primär) darauf ausgelegt, inhaltliche Mehrwerte zu schätzen. Hier positioniert sich die Neeva-Suchmaschine offensiver, indem sie Publisher direkt entlohnt, wenn sich der Content mit den Anfragen der Neeva-Nutzenden deckt – mit mindestens 20 Prozent des Unternehmensumsatzes.

Schon fühlt es sich besser an, Geld für eine Suchmaschine auszugeben. Vielleicht müssen wir nur sensibilisiert werden, um – drastisch formuliert – aus der Google-Trance zu erwachen.

Positive Personalisierung der Internet-Nutzung

Mehrwert gegen Gebühr: Neeva offeriert dir eine Art eigenes Dashboard. Du kannst deine Startseite also individuell gestalten. Zudem ist eine Verknüpfung von Web und privaten Inhalten wie E-Mails und Kalendereinträgen möglich.

So langsam begreifen wir es: Neeva ist keine klassische Suchmaschine, sondern etwas gänzlich Neues, das die Internet-Iutzung deutlich personalisiert und Content-Erstellende enger mit relevanten Verbrauchenden verknüpft und umgekehrt.

Der Marktblick von oben

Der Marktanteil lässt Google maximal mitleidig schmunzeln. Mit 87,29 Prozent thront der Internetkoloss in einem Bereich, den Bing und Co. nicht mal sehen. Wie Ameisen kämpfen die anderen Player um die Kuchenkrümel.

Apropos Bing: Die Suchmaschine von Microsoft liegt auf dem zweiten Rang – mit läppischen 5,54 Prozent. Es muss erst ein Superlativ von „Dominanz“ erfunden werden, um die Stellung von Google beschreiben zu können.

Beide Daten stammen aus dem April 2021 und beziehen sich auf die Desktop-Nutzung. Für mobile Geräte sind die Marktanteile ähnlich, wobei hier die chinesische Suchmaschine Baidu auf dem zweiten Platz rangiert.

Neeva oder Never?

Kann Neeva die eine Suchmaschine für alle sein? Abgesehen davon, dass sie zunächst nur in den USA verfügbar ist, landen auf der begehrten ersten Ergebnisseite wesentlich mehr Zweifel als der Glaube an eine Ablöse von Google – oder auch nur eine Annäherung.

Nein, die Neeva-Suchmaschine wird keine echte Konkurrenz zu Google darstellen. Doch das liegt nicht am Konzept und dem damit verbundenen Preis, sondern an der Komfortzone der trainierten Google-User.

Damit verbunden triggert es unsere sehr menschliche Sorge, etwas verpassen zu können. Denn die Übermacht suggeriert uns auch, dass niemand schlauer ist als Google. Zumal wir in der Regel nicht in der Lage sind, es zu beurteilen – der Algorithmus wirft mehr Fragen auf, als wir stellen können.

Die bessere Frage: Will Neeva Google schlagen? Der Blick nach oben ist aus wirtschaftlicher Perspektive kaum nötig, denn auch die niedrig platzierten Suchmaschinen generieren zum Teil Milliardenumsätze – besonders schmackhafte Kuchenkrümel.

Setzt sich das Konzept von Neeva durch, gibt es zumindest eine innovative Alternative, die sich hält, ohne den Gipfel erklimmen zu müssen.

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Über den Autor

André Gabriel

André Gabriel schreibt seit Januar 2021 für BASIC thinking. Als freier Autor und Lektor arbeitet er mit verschiedenen Magazinen, Unternehmen und Privatpersonen zusammen. So entstehen journalistische Artikel, Ratgeber, Rezensionen und andere Texte – spezialisiert auf Entertainment, Digitalisierung, Freizeit und Ernährung. Nach dem Germanistikstudium begann er als Onlineredakteur und entwickelte sich vor der Selbständigkeit zum Head of Content.