CO2 einfangen, anstatt es auszustoßen: Das sehen viele als Technologie der Zukunft, um den Klimawandel zu stoppen. Doch wie funktioniert das und wie sinnvoll sind die Methoden für negative Emissionen?
Die Wissenschaft ist sich einig: Wenn wir das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens erreichen wollen, müssen zwei Dinge passieren. Erstens müssen wir unsere Emissionen massiv reduzieren. Doch das wird nicht reichen, um die Klimaziele zu umzusetzen.
Darum müssen wir zweitens, Kohlendioxid (CO2) aus der Atmosphäre entnehmen, also für negative Emissionen sorgen.
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Was sind negative Emissionen?
Negative Emissionen sind nicht etwas, das in der Natur vorkommt. Es ist ein rechnerisches Konzept zur Klimaneutralität. Denn um in der Klimabilanz das gesetzte Ziel von 1,5 Grad globaler Erwärmung nicht zu überschreiten, müssen wir parallel CO2 aus der Atmosphäre entnehmen.
So rechnet etwa das Berliner Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) in einem Arbeitspapier vor, dass, neben allen Klimaschutzmaßnahmen, bis 2100 weltweit mindestens 100 Milliarden Tonnen CO2 aus der Atmosphäre verschwinden müssen.
Wenn man davon ausgeht, dass die ersten CO2-Einfang-Methoden ab 2050 an den Start gehen, müssten ab dann weltweit mindestens zwei Milliarden Tonnen CO2 pro Jahr entnommen werden. Genau das sollen die Technologien ermöglichen.
Die Methoden der CO2-Einfangung bezeichnet der Weltklimarat IPCC als Negative-Emissionen-Technologien, kurz NET. Damit sind grundsätzlich alle Ansätze gemeint, die den CO2-Anteil in der Atmosphäre senken.
Wirtschaft und Wissenschaft arbeiten an Negative-Emissionen-Technologien
Viele Unternehmen haben dies bereits in ihre Klimaschutzpläne mit aufgenommen. So kündigte Microsoft in seinem aktuellen Klimaplan an, in derartige Technologien investieren zu wollen. Auch Vodafone nennt NET als Teil seiner Nachhaltigkeitspläne.
Und jüngst verkündete Elon Musk, dass sein Raumfahrtunternehmen SpaceX ebenfalls an solchen Methoden arbeite. Anfang des Jahres rief Musk außerdem zu einem Wettbewerb auf, in dem er das beste CO2-Einfang-Projekt mit 100 Millionen US-Dollar unterstützen will.
Doch tatsächlich gibt es viele verschiedene NET – mit sehr unterschiedlichen Effekten. Bei einigen Verfahren handelt es sich um erprobte Methoden. Andere wiederum sind noch entfernte Zukunftsmusik mit unbekannten Folgen.
Bäume pflanzen: Bis zu 3,6 Milliarden Tonnen CO2 pro Jahr
Es gibt einen Grund, warum sowohl die Wissenschaft als auch die Industrie auf Aufforstung setzen, um negative Emissionen zu erreichen: Denn Bäume sind natürliche CO2-Aufsauger. Die Methode ist bestens erprobt und außerdem ist der Kostenaufwand überschaubar.
Wenn zudem durch die Aufforstung die Artenvielfalt erhalten bleibt, könnte das Pflanzen von Bäumen jährlich bis zu 3,6 Milliarden Tonnen CO2 aus der Atmosphäre entnehmen, sagt das MCC. Das ist eine konservative Schätzung. Doch Aufforstung trägt auch gewisse Risiken.
Beim Absterben der Bäume oder auch bei Waldbränden würde alles gespeicherte CO2 wieder in die Atmosphäre entlassen werden. Gleichzeitig benötigt Aufforstung in großem Maße auch Flächen, die dann wiederum der Landwirtschaft fehlen.
Berechnungen, die der Aufforstung mehr Potenzial zusprechen als das MCC, gehen daher in der Regel davon aus, dass der Fleischkonsum massiv zurückgehen wird.
CO2 im Untergrund speichern: bis 5 Milliarden Tonnen CO2 in Bioenergie-Anlagen
Ein weiteres Negative-Emissionen-Verfahren ist das Speichern von CO2 im Untergrund, auch Carbon Capture and Storage (CCS) genannt. Das Speichern kann entweder im Boden oder unter Wasser sein. In der Regel fängt man dabei das CO2 direkt in industriellen Verfahren auf, also beim Verbrennen von fossilen Energien oder von Biomasse zur Energieerzeugung, weil das Kohlendioxid hier in besonders hoher Konzentration anfällt.
Das MCC schätzt das Potenzial zum Auffangen und Speichern von CO2 allein in Bioenergie-Plantagen auf bis zu fünf Milliarden Tonnen CO2 pro Jahr. Die Industrie wiederum glaubt, dass sich so 65 bis 80 Prozent der CO2-Emissionen dauerhaft fernhalten ließen. Diese Schätzungen sind allerdings weder erprobt noch belegt. Das Umweltbundesamt verweist allerdings darauf, dass diese Verfahren viel Energie erfordern und den Verbrauch wertvoller Rohstoffe um bis zu 40 Prozent erhöhen könnten.
Gleichzeitig sind die Verfahren sehr kostenintensiv und mit Umweltrisiken verbunden. Sollte etwa CO2 den Speicherorten entweichen, würde man damit beispielsweise die Grundwasserversorgung sowie Flora und Fauna gefährden. Entsprechend müsste es für CCS-Verfahren sehr strikte politische Rahmenbedingungen geben und die Anlagen müssten genau überwacht werden.
Auch sind geeignete Speicherorte erforderlich. Hier gibt es aber einige vielversprechende Orte, etwa auf Island, in Schottland oder auf der Arabischen Halbinsel. Aufgrund des unbekannten Risikos, sieht das Umweltbundesamt CCS-Technologien in Deutschland jedoch eher als Notlösung an.
CO2 aus der Luft saugen: Bis zu fünf Milliarden Tonnen CO2 pro Jahr
Ein weiterer Ansatz, um CO2 der Atmosphäre zu entnehmen ist Direct Air Capture (DAC), also das direkte Einfangen von CO2 aus der Luft. Da Kohlendioxid in der Luft aber nicht besonders hoch konzentriert ist, ist dieses Verfahren bislang durchaus aufwändig.
Zum Einfangen von CO2 aus der Luft kommen momentan vor allem zwei Methoden zum Einsatz, flüssige und feste DAC. Beim flüssigen Verfahren führt man die Luft durch bestimmte chemische Lösungen, um so das CO2 zu entfernen. Beim festen DAC binden Saugfilter das CO2 chemisch. Werden diese Filter erhitzt und unter ein Vakuum gesetzt, entlassen sie das konzentrierte CO2, das sich dann wiederum speichern lässt.
Diesem Verfahren spricht das MCC zu, jährlich bis zu fünf Milliarden Tonnen CO2 aus der Luft entnehmen zu können. Auch hier gibt es aber Einschränkungen. So benötigt DAC viel Energie, etwa um die Filter zu erwärmen, was die Klimabilanz des Verfahrens deutlich mindert.
Aus CO2 mach Wodka?
Es gibt übrigens auch die Möglichkeit, das eingefangene CO2 nicht unterirdisch zu speichern, sondern es stattdessen erneut zu verwenden, etwa um synthetische Kraftstoffe (Synfuels) zu erzeugen oder auch Wodka. In Deutschland gibt es erste derartige Pilotanlagen.
Bei der Wiederverwertung des Kohlendioxids entstehen zwar keine negativen Emissionen. Die Verfahren könnten aber dennoch positive Klimaeffekte haben, etwa wenn durch Synfuels Diesel und Benzin aus fossilen Quellen ersetzt werden, so die Internationale Energieagentur (IEA).
Das Berliner MCC-Institut wiederum findet die industrielle Nutzung von DAC bedenklich, da man sich in diesem Fall eher auf den wirtschaftlichen Aspekt konzentrieren würde und weniger auf negative Emissionen.
Optimierte Landwirtschaft: zwei bis vier Milliarden Tonnen CO2 pro Jahr
Einige Expert:innen sehen in Ackerflächen ein großes Potenzial, um CO2 zu binden. Tatsächlich wäre es möglich, durch optimierte Landwirtschaft, etwa durch vermindertes Pflügen oder das Setzen von Pflanzen mit tiefen Wurzeln, Kohlendioxid besser zu entnehmen. Das alles könnte zwischen zwei und vier Milliarden Tonnen CO2 pro Jahr binden.
Um bis zu zwei Milliarden Tonnen aufgefangenes CO2 pro Jahr könnte man diese Methode aufstocken, wenn man Ackerflächen zusätzlich mit Kohlenstoff anreichern würde. Dies würde der Landwirtschaft bessere Erträge ermöglichen und gleichzeitig den Boden stärken.
Doch auch hier gibt es denkbare negative Effekte. So könnten dadurch die N2O-Emissionen sowie Stickstoff- und Phosphor-Anteile im Boden ansteigen. Irgendwann setzt auch ein Sättigungseffekt ein, sodass das Speicherpotenzial begrenzt ist. Gleichzeitig würde das CO2 wieder entlassen werden, wenn man die Anbaumethoden verändert.
Gesteine pulverisieren: Zwei bis vier Milliarden Tonnen CO2 pro Jahr
Ein interessanter Ansatz ist auch die beschleunigte Verwitterung. Dabei würde man bestimmte Gesteinsarten wie Basalt verpulvern und über eine Fläche streuen. Diese Gesteine reagieren mit CO2 und binden den Stoff. Die verkleinerte Form der Steine sorgt dafür, dass das Verfahren beschleunigt wird und so bis zu vier Milliarden Tonnen CO2 pro Jahr binden könnte.
Doch auch hier gibt es einige unbekannte Variablen. Es ist zum Beispiel denkbar, dass dies den pH-Wert des Bodens aus dem Gleichgewicht bringen könnte. Eine weitere Frage ist außerdem: Wo streut man das Gesteinspulver?
Müssen dafür beispielsweise Flächen gerodet werden, ist die Klimabilanz des Verfahrens schon wieder negativ.
Negative Emissionen: Notwendig, aber nicht ohne Risiko
Neben den genannten Verfahren, gibt es viele weitere vielversprechende Ansätze in Wissenschaft und Industrie, um auf negative Emissionen zu kommen.
Dazu gehört etwa, Häuser aus Holz anstatt aus Beton zu bauen, da Holzhäuser mehr CO2 binden können. Einige Wissenschaftler:innen versuchen sogar Zement zu entwickeln, der CO2 aufsaugen kann. Und in vielen Städten gibt es Projekte zur Bepflanzung von Gebäuden mit Moos, um so CO2 aufzufangen.
Klar ist: Negative Emissionen sind notwendig, um die Pariser Klimaziele zu erreichen. Doch viele Negative-Emissionen-Technologien sind noch im Anfangsstadium. Entsprechend gibt es viele unbekannte Faktoren bei den Verfahren sowie mögliche Risiken und negative Nebenwirkungen für die Umwelt. Darum empfiehlt das MCC:
- die Forschung in diese Richtung durch Investitionen zu beschleunigen,
- politische Maßnahmen zur Überwachung und Einhaltung der Werte zu etablieren und gleichzeitig
- mögliche negative Umwelteffekte zu berücksichtigen, um verantwortungsvolle Verfahren zu entwickeln.
Außerdem stellt der Einsatz von NET insbesondere für kleinere Betriebe momentan einen sehr hohen Kostenfaktor dar. Daher sieht das MCC die CO2-Bepreisung als wichtiges Instrument für den Klimaschutz. Wenn Staaten jede Tonne entnommenes CO2 genauso vergüten würden wie sie jede ausgestoßene Tonne CO2 finanziell bestrafen, gäbe es auch finanzielle Anreize für NET.
CO2 ist nicht alles
Wer über negative Emissionen und das Potenzial der verschiedenen Technologien spricht, darf aber nicht vergessen, dass sich die negativen Emissionen nicht einfach summieren lassen.
Denn teilweise schränken sich die Verfahren auch gegenseitig ein. Wenn etwa die Landwirtschaft mehr Flächen für CO2-optimierten Anbau benötigt, lassen sich auf diesen Flächen keine Bäume pflanzen und andersherum. Darüber hinaus ist unklar, wie die Klimabilanz einiger Verfahren unterm Strich aussieht, sodass am Ende in der Summe weniger CO2 aus der Atmosphäre verschwindet als geplant.
Und schließlich gilt es auch zu bedenken, dass sich viele NET auf das Klimagas CO2 konzentrieren. Es gibt darüber hinaus aber weitere schädliche Treibhausgase, die die globale Erwärmung vorantreiben, wie etwa Methan. Es reicht also langfristig nicht, sich nur über CO2-Speicherung Gedanken zu machen.
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