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Boom von Witzel-Videos bei Vine und Instagram. Nachgehakt: Ist das Filmen von Fremden legal?

geschrieben von Michael Müller

Im Bild: ein bequem gekleideter Durchschnitts-Amerikaner. Recht schlaksig, in grauem Shirt und hellbrauner Bermuda. Die Haarpracht schon etwas licht, Brille, schwarze Strümpfe auf schwarze Lederschuhe – das alles sitzend, mit übereinander geschlagenen Beinen und vertieftem, abwesenden Blick.

vinelogo

Aus dem Hintergrund heißt es: „Aaaand just killed someone, just killed someone, aaand hiding out, nervous because he just killed someone“. Ich muss schmunzeln. Situationskomik. Humor muss darf weh tun. Im nächsten Moment überwiegt aber dann doch ein wenig das Mitleid für den mir unbekannten und recht intensiv durch den Kakao gezogenen älteren Herren, der sehr wahrscheinlich nicht einmal von seinem unfreiwilligen Hauptdarsteller-Dasein weiß.

Fremde Menschen heimlich filmen, sich über sie lustig machen und das Ergebnis online stellen: Geht das so einfach? Oder bewegt sich der Stand-Up-Comedian Chris D’Elia mit seinem mörderisch weit hergeholten aber brüllend komischen Kurzvideo auf dünnem Eis? Ich habe das Video zum Anlass genommen, mich mit einem Experten über die hierzulande gültige Rechtslage zu unterhalten. Doch zunächst ein paar Details zum Aufwind, den Vine und Co. insbesondere in den Vereinigten Staaten derzeit haben.

Vine immer populärer

Der Ende 2012 von Twitter gekaufte Kurzvideo-Dienst Vine erfreut sich steigender Popularität. Besonders in den USA sind die „Vines“ genannten und maximal 6 Sekunden langen Videos so beliebt, das Facebook Ende Juni mit „Video on Instagram“ ein Konkurrenzmerkmal an den Start brachte. Bei diesem sind sogar Clips mit einer Länge von bis zu 15 Sekunden möglich.

In den USA geht der dadurch verursachte Hype derzeit so weit, dass sich eine Handvoll Vine-Sternchen aus der Masse heraus kristallisiert und untereinander mit Feature-Videos und Erwähnungen vernetzt. Das sorgt für hohe Klickzahlen, Querverweise und ein wachsendes Ansehen in der Gemeinschaft. Der eingangs erwähnte Chris D’Elia freut sich so beispielsweise über knapp eine Million Follower und mehrere zehntausend Likes pro Vine. So auch knapp 50.000 Likes für das ironische Serienmörder-Video:

Herber Spaß – ist das erlaubt?

Stellt sich die Frage, ob das Video von Chris D’Elia in Deutschland gegen geltendes Recht verstoßen hätte, wenn es denn hierzulande aufgenommen worden wäre. Um diese Frage zu klären, habe ich mit dem Kölner Rechtsanwalt Christian Solmecke gesprochen, der sich auf IT- und Urheberrecht spezialisiert hat. Sein Urteil ist eindeutig:

„Es ist generell nicht erlaubt, Menschen ohne ihr Einverständnis zu filmen und dieses Video dann öffentlich zu machen. Damit ein solches Video legal veröffentlicht werden kann, braucht man die Erlaubnis des Betroffenen.“

Fragt sich, wie diese Autorisierung am elegantesten zu bewerkstelligen ist? Solmecke rät, sich diese am besten direkt vor der Kamera zu holen. So könne ein Anwalt im Streitfall auf ein „solides Beweisstück“ zurückgreifen. Alternativ sei auch eine schriftliche Einverständniserklärung möglich.

Kurzvideodienste haben keine Sonderstellung

Interessant: Für Kurzvideodienste gelten laut Solmecke keine gesonderten Bestimmungen. Auf die Länge eines Filmes kommt es also nicht an. Ausnahmen gibt es dennoch:

„Ausnahmsweise kann das Abfilmen eines unbeteiligten Fremden legal sein, wenn es sich um eine Person der Zeitgeschichte handelt oder wenn die Person nur als Beiwerk im Video erscheint. Dies ist der Fall, wenn beispielsweise ein Gebäude gefilmt wird und dabei auch umherlaufende Menschen aus sicherer Entfernung mitgefilmt werden.“

Will heißen: Hätte D’Elia den guten Mann auf deutschem Boden abgelichtet und unwissentlich online gestellt, wäre dies alles andere als korrekt gewesen. Es sei denn, der Herr hätte ihm eine Zusage für die Veröffentlichung gegeben. Doch das bezweifle ich einfach mal.

Fragt sich abschließend noch, welche Möglichkeiten der Gesetzgeber potenziellen Geschädigten an die Hand gibt. Nach Aussage von Christian Solmecke ist die Abmahnung ein effektives Mittel:

„Als Geschädigter hat man die Möglichkeit eine Abmahnung auszusprechen und die Unterlassung der Verbreitung zu verlangen. Eventuell bestehen auch Schadensersatzansprüche.“

Vorsicht geboten!

Für Kurzvideodienste wie Vine oder Instagram gilt also das Gleiche wie etwa bei YouTube: Wer Fremde bewusst filmt, diffamiert oder durch den Kakao zieht, ist nur mit einer Zustimmung des Abgefilmten zur Veröffentlichung auf der sicheren Seite. Andernfalls riskiert man teure Abmahnungen oder in besonders schweren Fällen sogar Schadensersatzklagen – und das muss nun wirklich nicht sein, künstlerischer Spielraum hin oder her.

Bild: Screenshot

Über den Autor

Michael Müller

Michael tritt seit 2012 in über 140 Beiträgen den Beweis an, trotz seines Allerweltnamens real existent zu sein. Nach Abschluss seines Wirtschaftsstudiums arbeitete er einige Jahre als PR-Berater, bevor er 2016 als Tech-Kommunikator bei einem deutschen Spezialglas-Hersteller einstieg.

6 Kommentare

  • Wirklich aktuell wird das Thema, sollten sich Google-Glas Brillen so wie heutige Smartphones verbreiten. Dann muss man nicht mal mehr ein Gerät auf das Ziel richten und jeder zweite auf der Straße könnte mich gerade unbemerkt filmen. Unschöne Vorstellung.

  • Schade, dass durch veröffentlich des Videos auf diese Seite, dies auch noch gefördert wird. Den Link zum Video hätte man sich sparen können / müssen, wenn schon vermutet wird, dass der Mann die Zustimmung verweigert hätte.

  • Ich finde das Einbinden des Videos auch überflüssig.

    Zwar veranschaulicht es gut die Botschaft des Textes, doch zeugt von einer ziemlichen Doppelmoral à la „Bild“.