Binge-Watching-Modelle sind kundenorientiert. Statt einer häppchenweisen Fütterung können Nutzer:innen teils von Beginn an komplette Staffeln konsumieren. Das schmeckt all denen besonders gut, die bei aufgezwungenen Wartezeiten zwischen einzelnen Episoden Bauchschmerzen bekommen.
Als Netflix einst startete, war der Markt nicht ansatzweise mit dem heutigen vergleichbar: Denn derzeit werden ständig neue Streaming-Angebote gelauncht, früher unterhielt Netflix nahezu allein.
Ein wichtiger strategischer Schlüssel war schon damals der Release ganzer Staffeln – perfekt für Binge-Watching. Doch jetzt verbucht Netflix negative Zahlen. Ist die Binge-Ära vorbei?
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Binge-Watching hat Vor- und Nachteile
Der Vorteil einer Binge-Watching-Strategie: Sie bewirkt oft überragende Traffic-Peaks, die mit einer geballten Aufmerksamkeit und viel Mund-zu-Mund-Propaganda einhergehen.
Laut CNBC feierten die ersten sieben Episoden der aktuellen „Stranger Things“-Staffel mit fast 287 Millionen Zuschauer:innen das stärkste US-Premierenwochenende.
Doch dieser Vorteil nutzt sich ab, je mehr Streamingdienste existieren. Während es damals auch bei einer inhaltlichen Flaute keine echten Alternativen gab, switchen Nutzer:innen heute den Anbieter, wenn ihnen das Programm nicht zusagt.
Anders formuliert: Binge-Watching zeigt kurzweilige Effekte, sichert aber keine nachhaltige Kundenbindung. Es sei denn, das Programm ist jederzeit so umfangreich und vielfältig attraktiv, dass immer alle Geschmäcker bedient werden. Doch das klingt schon utopisch.
Netflix-Zahlen sind rückläufig
Zahlen lügen nicht. Und die von Netflix sprechen zumindest für strategische Überlegungen. Denn abgesehen von den Peaks soll das Wachstum bei den Abonnements stagnieren.
Im April 2022 verkündete Netflix fürs erste Quartal einen weltweiten Rückgang von 200.000 Abonnent:innen. Branchenexpert:innen gehen davon aus, dass sich der Verlust im nächsten Quartal maximieren wird.
Zudem wird der Wettbewerb im Streaming-Markt immer härter – mit expandierenden Portalen wie AMC Plus und Paramount Plus. Letztes Jahr sind die Netflix-Aktien sogar von 700 Dollar auf etwa 160 Dollar pro Aktie gesunken.
Peter Csathy, Gründer und Vorsitzende des Beratungsunternehmens Creative Media, schließt ein Umdenken laut CNBC nicht aus: „Genauso wie sie [bei Netflix] gesagt haben, dass es keine Werbung gibt, sollte man nicht davon ausgehen, dass Binge-Watching für immer ist.“
Binge-Watching und/statt Werbung?
Netflix hat sich immer gegen Werbung auf der Plattform ausgesprochen. Steht hier ein Kurswechsel im virtuellen Raum?
Der Co-CEO Reed Hastings soll die Möglichkeit geäußert haben, dass Netflix zukünftig auch ein werbefinanziertes Programm bietet. Durch die kostengünstigeren Angebote könne man neue Abonnent:innen gewinnen.
Ob die Option alternativ oder ergänzend zum Binge-Release-Modell in Betracht gezogen wird, ist nicht bekannt. Generell stehen noch keine konkreten Veränderungen fest – dass etwas bei Netflix passieren wird, steht wiederum außer Frage.
Zuletzt hat man die zweigeteilte Variante für sich entdeckt: zunächst die erste Hälfte einer Serie in Gänze, später die restlichen Folgen am Stück – wie auch beim aktuellen, sehr prominenten Fall „Stranger Things 4“.
Eine Frage des Marketings
Natürlich ist es Konsument:innen lieber, wenn alles auf einmal da ist. So können sie selbst wählen, wie viel sie schauen. „Wir wollen [unseren Mitgliedern] die Möglichkeit geben, so viel zu sehen, wie sie wollen und wann sie es sehen wollen“, sagte Peter Friedlander, Leiter für Drehbuchserien bei Netflix USA und Kanada.
Löblich. Doch tun wir nicht so, als würde Netflix die Entscheidung „pro oder kontra Binge-Watching“ im reinen Kundensinne treffen. Unterm Strich entscheiden die nackten Zahlen, welche Modelle sich durchsetzen. Business as usual im Big Business.
Aber: Bleibt Netflix seiner Linie treu, kann das ein großer Sympathiepunkt sein. Marketing eben. Vielleicht baut das Unternehmen seine Binge-Watching-Strategie aus und spinnt eine exklusive Kampagne drumherum. Auch eine Option.
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