In Frankfurt tobt die Buchmesse, in Köln deswegen eine Zusatzveranstaltung der Lit.Cologne, und gestern erhielt der chinesische Autor Mo Yan in Stockholm den Nobelpreis für Literatur. Eigentlich klar, dass die treibenden Kräfte der Buchbranche die Aufmerksamkeit nutzen, um mit dem Zaunpfahl auf die rasanten technischen Entwicklungen der jüngsten Zeit hinzuweisen.
Und das geschieht mit einer derartigen Wucht, dass ich mittlerweile geneigt bin zu sagen: Du lieber Himmel, ist ja gut! Kaufe ich mir eben so einen Ebook-Reader, wenn ihr unbedingt wollt. Vielleicht rette ich ja die Welt damit. Vielleicht wird mein Leben damit eine entscheidende Wendung nehmen. Es spricht ja eigentlich auch nicht viel dagegen: Gute Reader verbrauchen wenig Strom, ich bekomme meine Bücher sofort und die Möglichkeit, interessante Buchstellen zu markieren und mit anderen zu teilen, könnte noch richtig groß werden. Zumindest läuft die Maschinerie inzwischen auf Hochtouren – auch in Deutschland.
Die Anbieter überschlagen sich gerade mit Angeboten: Amazons Kindle Paperwhite erhält gute Kritiken; Ende November soll er auch in Deutschland eintreffen. Die Konkurrenz hält dagegen. Kobo will seinen „Glo“ noch kommende Woche nach Deutschland bringen. Und auch der französische Hersteller Bookeen, hierzulande vor allem den Kunden der Buchhandelskette Thalia ein Begriff, hat für November zwei neue Modelle seiner Cybook-Serie angekündigt – eines davon, der FrontLight HD, ebenfalls mit Leucht-Display. Gleichzeitig will ein Berliner Unternehmen im Niedrigpreissegment durchstarten: Der abgeschwächte, aber für das Kleingeld sehr ordentliche Txtr Beagle soll in Verbindung mit einem Mobilfunkvertrag nur 10 Euro kosten.
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Ebooks ausleihen
Und ein weiterer Trend bahnt sich gerade seinen Weg: Die Buchflatrates kommen. Oyster erhielt gestern eine Kapitalspritze in Höhe von 3 Millionen US-Dollar, um in Bälde eine Ebook-Flatrate nach dem Vorbild von Spotify anzubieten. Bertelsmanns Startup Skoobe kontert die Offerte – allerdings leider nur mit Unterstützung für Tablets und Smartphones. Und selbst Amazon ist noch Ende Oktober mit einer Flatrate für Kindle-Reader mit dabei: zwar nur 8.500 Bücher zum digitalen Ausleihen in deutscher, dafür aber 200.000 in englischer Sprache.
Ich staunte nicht schlecht, als mir kürzlich ein Werbezettel der Bonner Stadtbibliothek in die Hände fiel: Auch hier kann der geneigte Leser sich also längst Ebooks ausleihen – oder besser onleihen. Sogar vor meiner Haustür sind die Auswirkungen des Wandels unübersehbar – so hat Thalia kürzlich angekündigt, eines der Bonner „Wahrzeichen“ im kommenden Jahr dicht zu machen: das größte Buchgeschäft der Stadt direkt am Hauptgebäude der Universität wird im August 2013 geschlossen. Warum? Genau: Thalia führt zur Begründung vor allem den Medienwandel ins Feld.
Amazon-Werbung für den Kindle Paperwhite
Ein Umsturz
Kurzum: Ich bin ein wenig von der Geschwindigkeit überrascht, mit der die Buchindustrie neuerdings reagiert. Während Presseverlage und Filmindustrie den digitalen Wandel bereits seit einigen Jahren auf ihre meist umstrittene Weise mitgehen und man die Musikindustrie im Vergleich dazu fast schon als Vorreiter bezeichnen muss (ja, lacht ruhig), hat der Buchhandel sehr lange gewartet. Nun will man sich mit reichlich Verspätung umso schneller digitalisieren. Das ist schon kein Wandel mehr, das ist ein Umsturz.
Laut einer aktuellen Forsa-Umfrage liest erst jeder zehnte Deutsche Ebooks. Und ein wenig werde ich deswegen auch das Gefühl nicht los, dass hier nicht der Kunde auf ausdrücklich eigenen Wunsch die Veränderung vollzieht, sondern die Industrie. Um zu retten, was noch zu retten ist, geben Buchverlage jetzt richtig Gas, bevor Amazon es kann. Der Online-Buchhändler, der inzwischen mit vielen Autoren direkt verhandelt und die Preise mit seinen eigenen Online-Marktplätzen drückt, stößt die Veränderungen seit geraumer Zeit einfach selbst an. Und jetzt, wo man gesehen hat, dass die Konkurrenz in Deutschland aufgewacht ist, hält man mit eigenen Angeboten dagegen.
Offene Standards
Nur dass wir uns da richtig verstehen: Ich begrüße diese Entwicklung. Dank Ebooks erhalte ich das, was ich lesen will, sofort zu Hause im Sessel, ohne dass ich erst im Regen durch die halbe Stadt fahren oder zwei Tage warten muss, bis bestellte Bücher mit der Post kommen. Dass ich sie Freunden nicht mehr ausleihen kann – wie man bei der „Bild“ moniert – ist mir im Grunde egal. Wie oft hat man das denn tatsächlich gemacht? Und wie viele Bücher habe ich im Endeffekt in letzter Zeit verschenkt, verkauft, ja, in die Papiertonne geworfen, nur um den Kram loszuwerden? Mit einem Ebook-Reader erspart man sich dieses moralische Dilemma.
Der Wandel geht nur so schnell vor sich, dass ich ein wenig mahnen muss: Passen wir besser auf, dass wir in dem ganzen Trubel nicht vor vollendete Tatsachen gestellt werden. Kämpfen wir für offene Standards – von denen Amazon nicht gerade viel hält – sprich: ePub. Und auch dafür, dass wir auf dem Ebook-Reader eines Herstellers auch das lesen können, was wir schon an Ebooks besitzen oder was die Konkurrenz anbietet – und das möglichst ohne umständliches Konvertieren von einem Format in das andere. Sowie auch dafür, dass wir ein einmal gekauftes Buch nicht nur auf einem, sondern beliebigen Geräten lesen können. Denn sonst wäre am Ende wenig gewonnen.
(Bilder: Amazon)