Social Media

E-Girls auf Twitch: Manipulation von jungen Männern oder Sexismus?

Bell Delphine, Twitch
E-Girls sind ein umstrittenes Phänomen auf Twitch – zu Recht? (Foto: Screenshot / YouTube)
geschrieben von Marinela Potor

E-Girls sind eine relativ neue und stark umstrittene Erscheinung auf dem Live-Videostreaming-Portal Twitch. Nutzen die Frauen auf Twitch ganz bewusst ihre Fans aus oder ist die Kritik übertrieben? Wir werfen einen Blick auf das Phänomen. 

Wie viele Social-Media-Plattformen bildet auch die Videospiel-Plattform Twitch für die Community zum Teil eine eigene Welt. Für die meisten Außenstehenden ist Twitch dabei einfach ein Portal, auf dem Gamer Videospiele spielen – und andere dabei zuschauen.

Doch in letzter Zeit ist neben den klassischen Gamern eine neue Art der Nutzer aufgetaucht: das E-Girl.


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E-Girls verkaufen sich für Geld

Die meisten kennen wahrscheinlich die E-Girls von Tik Tok. Sie zeichnen sich durch ihr Bonbon-Make-up, bunte Haare und Grunge-Kleidung aus und sind mehr oder weniger ein Modetrend. Doch die E-Girls auf Twitch haben damit nichts zu tun.

Nach der Definition von Urban Dictionary sind E-Girls typischerweise:

Mädchen, die Videospiele online spielen und auf Twitter oder Discord zu finden sind. Sie schicken Nacktfotos / Thirst-Traps oder verkaufen sie. Man findet sie ebenfalls auf Twitch. Der Unterschied zwischen einem normalen Mädchen, das Videospiele spielt und einem E-Girl ist, dass das E-Girl um Geld bettelt oder sich dafür verkauft.

Das ist als erster Ansatzpunkt ganz hilfreich, auch wenn die Realität natürlich mehr Nuancen und Grautöne von E-Girls hat.

E-Girls, Simps und jugendliche Hormone

So gibt es beispielsweise die Nutzerin „Neekolul“, die durch ihren „Ok-Boomer-Tanz“ auf Twitter viral ging und auch auf Twitch streamt.

Neekolul wird oftmals als E-Girl bezeichnet, weil sie sich sehr freizügig zeigt und ihre fast ausschließlich männlichen Fans sie geradezu anbeten. Viele Jungs versprechen sich tatsächlich eine Beziehung mit ihr und so erhält sie zahllose Liebesbriefe, Liebeserklärungen und Treue-Bekundungen aller Art.

Diese Art von Anbetung nennt das Internet übrigens „simping“, die anbetenden Fans selbst sind Simps. Das gibt es sowohl für Mädchen wie für Jungen.

Die Rede ist hier ganz bewusst von Jungen und Mädchen, weil das Phänomen grundsätzlich in der Pubertät auftritt und sich danach – meist wenn die Jugendlichen eine erste reale Beziehung eingehen – verflüchtigt.

Jugendliche befinden sich schließlich gerade in der Phase, in der sie ihre eigene Identität, abseits von ihren Eltern, suchen. Dazu gehört das Herausbilden eigener Glaubenssätze, das Finden neuer Hobbys und auch das Entwickeln der ersten Fantasien über einen potenziellen Partner.

Diese finden Jugendliche zunächst meist in idealisierter Form in den Medien – seien es in Popstars, YouTube-Größen oder Tik-Tok-Influencer. Mädchen verehren dabei meist den Jungen mit rauer Schale und weichem Kern. Jungen legen in erster Linie Wert auf ein Mädchen mit attraktivem Äußeren, das die gleichen Interessen teilt.

Und genau so landen viele Jungs bei den E-Girls auf Twitch, die genau dieses Bedürfnis erkannt haben – und geschickt und sehr profitabel erfüllen.

Diese Mädchen oder junge Frauen interessieren sich nämlich gar nicht für Videospiele. Sie gaukeln dieses Interesse aber vor und zeigen sich dabei extrem freizügig. Die Absicht ist klar: die pubertären Jungen anzulocken und ihnen das Geld aus der Tasche zu ziehen.

E-Girls locken Fans von Twitch zu Bezahlportalen

Schließlich bietet Twitch seinen Nutzern einige Möglichkeiten, um direkt über die Plattform Geld zu verdienen.

Eine davon sind Abos. Die Abos kosten fünf US-Dollar im Monat und Abonnenten bekommen dafür exklusive Inhalte von Streamern gezeigt. Die großen Streamer bekommen etwa 60 bis 70 Prozent dieser Abo-Einnahmen ausgezahlt.

Eine andere Option sind die Spenden. Dabei überweisen Zuschauer Streamern beispielsweise über Paypal Geldbeträge. Darauf haben es die E-Girls abgesehen. Sie nutzen nämlich so ziemlich jede Methode, um ihre Follower zum Spenden zu animieren.

Einige verkaufen sogar Werbeartikel oder auch sehr seltsame Dinge wie das eigene Badewasser.

Doch dabei bleibt es nicht. Die E-Girls wollen ihre Fans nämlich von Twitch auf ihre privaten Snapchat-Profile oder auf Bezahlportale wie Onlyfans locken. Bei Onlyfans zahlen Nutzer, um bestimmten Profilen zu folgen. Im Gegenzug erhalten sie Zugang zu exklusiven Fotos und Videos – meist mit pornografischen Inhalten.

Hier winkt den E-Girls dann das große Geld.

Genau darin unterscheidet sich Neekolul aber von den E-Girls. Sicherlich profitiert auch sie von ihrer Beliebtheit bei ihrem männlichen Publikum. Doch Neekolul nutzt dies nicht, um Twitch-Nutzer auf Plattformen wie Onlyfans zu locken, um dann weiter abzukassieren.

Hier beginnt dann auch die große Kontroverse um die E-Girls.

Ist Kritik an E-Girls berechtigt?

Denn einige kritisieren dieses Verhalten als manipulativ. Andere wiederum nennen die Kritiker sexistisch.

Grundsätzlich darf jede Person bis zu einer gewissen Grenze tun und lassen, was sie möchte. Wenn eine Frau entscheidet, dass sie mit freizügigen Inhalten, Nacktfotos auf Onlyfans oder mit Pornos Geld verdienen möchte, ist das ihre Sache und absolut legitim.

Das kritisieren die meisten auch nicht an den E-Girls. Das Problem liegt eher im Vorgaukeln falscher Tatsachen und der bewussten Manipulation junger Männer und dem damit gekoppelten Profit.

Natürlich kann man sagen, dass jeder frei entscheiden kann, den E-Girls zu folgen oder nicht. Doch genau diese freie Entscheidung wird natürlich von den E-Girls mit vielen psychologischen Tricks stark eingeschränkt, ähnlich wie es Pick-up-Artists mit Frauen tun.

Andererseits sind explizite Sex-Inhalte auf Twitch eigentlich verboten, womit die E-Girls sich hart an der Grenze des Erlaubten bewegen.

Gleichzeitig argumentieren viele auch, dass die E-Girls einfach nur ein profitables Geschäftsmodell erkannt haben und die Tatsache, dass sie dies ausnutzen und damit Geld verdienen, sei clever und nicht verwerflich. Vielmehr seien die Kritiker sexistisch.

Realistisch gesehen dürfte die Obsession der meisten Simps mit den E-Girls verfliegen, wenn sie älter werden und eine reale Beziehung eingehen. Doch bis dahin gibt es einen anderen Leidtragenden des Phänomens: andere Mädchen auf Twitch.

Streamerinnen werden belästigt

Denn seitdem die E-Girls die Plattform erobern, haben Streamerinnen mit neuen Erwartungen ihrer Zuschauer zu kämpfen. Auf einmal werden nämlich die regulären Twitch-Nutzerinnen in einem neuen Licht gesehen.

Viele von ihnen bekommen nun Anfragen nach Nacktfotos, anzügliche Nachrichten und werden teilweise mit sexuell beleidigenden Kommentaren belästigt. Twitch selbst hält sich in diesem Bereich bislang auffällig zurück.

Eins ist damit klar. Egal, wie man zu den E-Girls steht: Sie verändern die Twitch-Community gerade nachhaltig.

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Über den Autor

Marinela Potor

Marinela Potor ist Journalistin mit einer Leidenschaft für alles, was mobil ist. Sie selbst pendelt regelmäßig vorwiegend zwischen Europa, Südamerika und den USA hin und her und berichtet über Mobilitäts- und Technologietrends aus der ganzen Welt.

4 Kommentare

  • Hi,
    Ich denke Sie sind zu einer etwas falschen Konklusion gekommen. Ich habe früher selber viel Videospiele gespielt (lange vor den E-Girls). Auch da hatte die Community schon ein riesiges Problem mit sexueller Nötigung seitens der Jungs. Ich streame nicht mal und habe trotzdem ein Postfach voller anrüchigen Anfragen. Einige Spiele konnte ich nicht spielen, da es für eine erfolgreiche Runde Voraussetzung war sich per Voice-Chat ab zu stimmen. Sobald ich den Mund auf gemacht hab war die Runde gelaufen, da sich meine Teammitglieder eher auf mein Geschlecht fokussiert haben und mir Avancen zu machen oder sexistische Späße/Sprüche vom besten zu geben.
    E-Girls wandeln diesen Hass und Sexismus der schon vorher in der Gaming-Community rampiert hat lediglich von etwas was einen verletzt in Profit um. Andere Frauen die vorher gestreamt haben, haben auch vorher massiv unter solchen Anfragen gelitten. Einige machen genau mit dieser Sexistischen Denkweise jetzt ihr Geld und „ziehen das Geld“ der Jungs aus der Tasche die schon vorher so gedacht haben und solche Anfragen versendet haben. Zwar wird dabei in dieses Klischee reingespielt, jedoch wurde schon vor dem Phänomen dieses Klischee über jedes Mädchen/Frau in der Szene gestülpt. Die Frage ist halt ob man sich davon (so wie ich) irgendwann vertreiben lässt, es wie die „normalen“ Gamerinnen aushält oder es für sich in etwas positives dreht wie die E-girls.

    • Twitch hat ein Diskriminierungsproblem mit Frauen, das muss man so sagen – und nicht erst seit den E-Girls. Es gibt viele traurige Beispiele. Eins davon hat mich vor einigen Jahren selbst sehr stark geschockt. wo es wirklich extreme Ausmaße angenommen hat, wobei auch der Fall keine Ausnahme war. Ob die E-Girls die ohnehin schon unangenehme Situation für andere Streamerinnen nun besser oder schlechter machen, ist halt die Frage.

  • 1. subs auf twitch geben eben keinen exclusiven Inhalt. Man bekommt emotes, etwas weniger Werbung und evtl ein Dankeschön vom Streamer.
    2. Teenager werden schon immer manipuliert um Geld zu machen. Als ich Teenager war, waren es die backstreet boys und deren Videos auf MTV waren auch stark sexualisiert und zielten eben darauf, Teenager dazu zu bringen Merchandise und CDs zu kaufen. Das Konzept ist nicht wirklich neu.
    3. Ich bin seit ca. 8 Jahren auf Twitch unterwegs. Damen, die ihre Zuschauer durch Ausschnitt statt gameplay anlocken sind nicht neu, genausowenig wie die damit verbundenen sexuellen Belästigungen für andere weiblich Streamer. Wird das durch die egirls mehr… wird sich zeigen.

    • Hi BluBla,
      der exklusive Inhalt bezog sich vor allem auf die Emotes, die man dort bekommt. Und klar, das Phänomen der Jugendlichen auf der Suche nach idealen Partnern wird von der Unterhaltungsbranche von Disney-Filmen bis hin zu Boybands und K-Pop ausgenutzt. Es gibt ja auch E-Boys 😉 Interessant bei Twitch ist, dass es hier die Nutzerinnen selbst diejenigen sind, die davon profitieren. Und die Tatsache, dass es Sexismus, blöde Anmachen und sogar sehr krasses Stalking bei Twitch gibt (und ja, definitiv nicht erst seit den E-Girls) ist eigentlich etwas, worüber man außerhalb der Community viel öfter sprechen sollte.