Wirtschaft

Gamestop-Anhörung im US-Kongress: „Ich bin keine Katze. Ich bin kein Hedgefonds.“

Vlad Tenev, Robinhood, Gamestop
Vlad Tenev musste bei der Gamestop-Anhörung im US-Kongress viele Fragen beantworten. (Foto: Screenshot / YouTube)
geschrieben von Marinela Potor

Nach der fünfstündigen Gamestop-Anhörung im US-Kongress rund um den Hype der Einzelhandels-Aktie Gamestop, die Handels-App Robinhood und das soziale Netzwerk Reddit, blieben viele Fragen offen. Doch eins ist klar: Mindestens ein Reddit-Nutzer ist keine Katze.

Was genau ist am 28. Januar 2021 mit der Gamestop-Aktie passiert und welche Rolle spielte das US-Unternehmen Robinhood mit seiner Handels-App darin? Das wollte das Finanzkomitee des US-Kongresses in seiner „Gamestop-Anhörung“ herausfinden.

Gamestop-Anhörung: Robinhood, Reddit und Hedgefonds müssen sich erklären

Dazu befragten Abgeordnete verschiedene Schlüsselpersonen, die alle in verschiedener Form an den Ereignissen beteiligt waren, die Anfang des Jahres zu einem immensen Börsenchaos geführt haben.


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Gründlich auseinandergenommen haben die Abgeordneten dazu rund fünf Stunden lang:

  • Vlad Tenev, den CEO von Robinhood.
  • Ken Griffin, Eigentümer des Hedgefonds „Citadel“ und der Handelsfirma „Citadel Securities“, die mit Robinhood zusammenarbeitet.
  • Gabriel Plotkin, CEO von Melvin Capital, einem Hedgefonds, der in den Short Sell der Gamestop-Aktie investiert hatte und eine Finanzspritze von Citadel bekam, als die Kurse in den Keller gingen.
  • Steve Huffman, CEO von Reddit und
  • Keith Gill, alias „Roaring Kitty“, einen Finanz-Influencer der Reddit-Gruppe r/WallStreetsBets.

Wem wollte Robinhood wirklich helfen?

Besonders hart nahmen die Abgeordneten Vlad Tenev und das Geschäftsmodell von Robinhood ins Visier. In vielen Fällen ging es darum, ob Tenev und Robinhood oder ihre Geschäftspartner davon profitierten, als Robinhood den Kauf von Gamestop-Aktien (nicht aber den Verkauf) auf der App kurzzeitig blockierte.

Denn: Das sorgte dafür, dass der Preis der Aktie nicht weiter steigen könnte. Genau das hatte bei vielen Hedgefonds im Vorfeld für Verluste gesorgt, die auf die Short-Optionen der Aktie gesetzt hatten. So schien es, als ob Robinhoods Kaufstopp einseitig den Privatanlegern schadete.

Tenev sagte zunächst, man habe dies nur getan, weil die Nutzer sauer gewesen wären, wenn man auch den Verkauf gestoppt hätte.

Später stellte sich aber heraus, dass Robinhood nicht genug Mittel hatte, um die Trades zu sichern.

Denn Robinhoods Clearinghaus hatte am 28. Januar eine Summe von drei Milliarden US-Dollar als Risikopfand gefordert. Geld, das Robinhood nicht hatte und deshalb wohl ebenfalls das Kaufverbot aussprach, um sich selbst zu schützen.

Doch profitierten davon auch andere Akteure, wie etwa der Hedgefonds Melvin Capital?

Gabriel Plotkin vom Hedefonds Melvin Capital, der heftig auf Reddit mit antisemitischen Äußerungen beschimpft worden war, versicherte, dass man bereits vor dem 28. Januar aus dem Handel mit Gamestop-Aktien ausgestiegen sei und der Kaufstopp von Robinhood sie nicht mehr betroffen habe.

Melvin Capital hat angeblich 53 Prozent seiner Short-Investitionen verloren und erhielt eine Finanzspritze von Citadel.

Ist Robinhood wirklich so selbstlos?

Neben den eigentlichen Ereignissen vom 28. Januar 2020, schienen sich viele Abgeordnete aber vor allem an den Geschäftspraktiken von Robinhood zu stören.

Viele Politiker wollten beispielsweise wissen, wie sich die Gewinne der Robinhood-Nutzer, die sich angeblich auf 3,5 Milliarden US-Dollar belaufen, genau verteilt seien.

Woher kommen die Gewinne? Sind sie gleichmäßig unter den Privatinvestoren verteilt? Würde ein Privatanleger wirklich weniger Gewinn machen, wenn er sein Geld in ein traditionelles Investmentfonds stecken würde anstatt über Robinhood an der Börse zu spielen ?

Tenev versuchte den Fragen auszuweichen, wurde dabei aber immer wieder unterbrochen. Sitzungsleiterin Maxine Waters ermahnte ihn daher mehrmals: „Ja oder nein, beantworten Sie die Frage!“

Konkrete Antworten gab es aber nicht.

Die Gamestop-Anhörung machte aber deutlich, wie Robinhood sein Geld verdient.

Die Geschäftspraktiken von Robinhood

Offenbar kommen 50 Prozent der Einnahmen über Einnahmen aus „Payments for Order Flow“. Die PFOF ist eine kleine Provision, die Broker-Firmen dafür bekommen, dass sie die Käufe und Verkäufe über bestimmte Market-Maker (Marktmacher) ausführen.

Robinhood verdient also eine Provision, weil es die Aktivitäten all seiner Nutzer an bestimmte Market-Maker weiterleitet. Dazu gehören unter anderem Citadel, Virtu oder G1.

Insbesondere der Abgeordneten Alexandria Ocasio-Cortez schien das ein Dorn im Auge zu sein. Sie fragte Tenev direkt, ob Robinhood im Fall von Gamestop bereit sei, diese Provision an die Nutzer auszuzahlen. Ocasio-Cortez sagte: „Sie schulden Ihren Kunden mehr als eine Entschuldigung.“

Auch dies beantwortete Tenev nicht direkt, auch wenn er das Geschäftsmodell verteidigte: „Wir sind eine Für-Profit-Organisation.“

Robinhood scheint darüber hinaus ebenfalls in gewisser Weise vom Options Trading zu profitieren, bei dem Rechte zu gewissen Aktionen an der Börse verkauft werden, etwa um vorzeitig Aktien zu verkaufen, deren Kurs sich im freien Fall befindet.

Denn insbesondere seitdem Robinhood Option Trades einführte, stiegen die Gewinne des Unternehmens. Einige Abgeordnete warfen Robinhood daher vor, das Unternehmen würde sich an der Volatilität des Marktes bereichern.

Verbraucher besser schützen

Viele Politiker kritisierten ebenfalls, dass unerfahrene Investoren bei Robinhood nicht ausreichend geschützt seien. Dabei bezogen sich viele auf den Suizid eines sehr jungen Robinhood-Investoren namens Alex Kearns, dessen Familie Robinhood verklagt hat.

Tenev sagte dazu, dass man derzeit neue Aufnahmekriterien erarbeite und Nutzer besser schulen wolle.

Zum tragischen Selbstmord des 20-jährigen Alex Kearns sagte Tenev:

Das Ableben von Herrn Kearns war sehr verstörend für mich und das gesamte Unternehmen. Wir haben eine Reihe von sehr aggressiven Schritten unternommen, um unser Produkt für unsere Kunden sicherer zu machen.

Wie viel Schuld tragen Reddit-Nutzer?

Neben Vlad Tenev befragten die Kongressabgeordneten auch Reddit-CEO Steve Huffman. Hierbei ging es um die Frage, ob die Absprachen der Reddit-Nutzer als „Marktmanipulation“ gewertet werden können.

Huffman sah dies naturgemäß anders. Er bezeichnete Reddit als „echte Gemeinschaft“ und den Kauf von Aktien wie Gamestop, die über Reddit organisiert wurden als eine Aktion, die die „Kraft der Gemeinschaft“ zeige.

Tatsächlich seien die Finanztipps auf Reddit sogar zuverlässiger als von anderer Seite, weil so viele Nutzer sie bewerten.

Zudem betonte Humman, dass die AGB von Reddit Hasskommentare verbieten und Beleidigungen wie etwa gegen Gabriel Plotkin sofort entfernt wurden.

Auf Nachfrage von BASIC thinking zu den Ereignissen und der möglichen Mitschuld der Nutzer an dem Börsenchaos sagte eine Reddit-Sprecherin nur:

Reddits AGB verbieten das Posten von illegalen Inhalten sowie das Erfragen oder das Ermöglichen von illegalen Transaktionen. Wir werden mit zulässigen gesetzlichen Untersuchungen oder Aktionen kooperieren.

Dennoch musste sich ein Reddit-Nutzer ebenfalls den Fragen der Kongressmitglieder bei der Gamestop-Anhörung stellen: Keith Gill, im Netz vor allem als „Roaring Kitty“ bekannt.

Gill wird dafür verantwortlich gemacht, den Hype um die Gamestop-Aktie ausgelöst zu haben, in dem er der Reddit-Gemeinschaft von seinen Milliardengewinnen durch die Aktie berichtet hatte. In Washington läuft deshalb eine Sammelklage gegen Gill.

„Ich bin keine Katze.“

Gill stellte sich mit folgenden Worten vor: „Ich bin keine Katze. Ich bin kein Hedgefonds.“

Die Aussage zur Katze ist ein Wortspiel, die sich einmal auf Gills Nutzernamen „Roaring Kitty“ (aufheulendes Kätzchen) bezieht, aber auch auf ein virales Video, bei dem ein Anwalt in seinem Zoom-Videochat den Katzenfilter nicht deaktivieren konnte.

Gill versicherte, er sei lediglich eine Privatperson, die im Netz über ihre Investitionen spreche. Dabei berate er aber niemanden offiziell noch spreche er Empfehlungen aus. Er versuche nur, den Aktienhandel für Durchschnittsbürger verständlicher zu machen. „Es ist alarmierend, wie wenig wir wissen.“

Doch kann man Gills Aussagen und den Austausch auf Reddit Marktmanipulation nennen?

War es nun Marktmanipulation oder nicht?

Die Kongressabgeordneten befragten dazu ebenfalls Finanzexperten. Diese kamen zu dem Schluss, dass es ihrer Meinung nach allem Anschein nach, keine Marktmanipulation gewesen sei.

„Ich glaube, es gibt zu dieser Zeit sehr wenig Belege dafür, dass es falsches oder betrügerisches Verhalten gab“, sagte Jennifer Schulp, Finanzdirektorin beim Cato Institute über die Reddit-Nutzer.

Gamestop-Anhörung: Bafin warnt deutsche Anleger

Egal, wie fragwürdig oder regulierungsbedürftig das Geschäftsmodell von Apps wie Robinhood und Finanzforen wie r/WallStreetsBets sein mögen, eine Sache schien für Experten bei der Gamestop-Anhörung immerhin klar zu sein: Marktmanipulation auf Seiten der Reddit-Nutzer sei nicht im Spiel gewesen.

Ob dies auch andere so sehen, bleibt abzuwarten. Schließlich stehen noch einige Gerichtsverfahren aus.

Derweil hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht eine Warnung ausgesprochen.

„Die BaFin warnt Anleger vor den Risiken von Wertpapiergeschäften, die sie auf Grundlage von Aufrufen in Sozialen Medien, Internetforen und Apps, wie zum Beispiel Telegram und Reddit, tätigen. Anleger sollten Anlageentscheidungen nicht auf solche konzertierten Aufrufe stützen, sondern sich über das jeweilige Wertpapier aus möglichst objektiven Quellen informieren.“

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Über den Autor

Marinela Potor

Marinela Potor ist Journalistin mit einer Leidenschaft für alles, was mobil ist. Sie selbst pendelt regelmäßig vorwiegend zwischen Europa, Südamerika und den USA hin und her und berichtet über Mobilitäts- und Technologietrends aus der ganzen Welt.