Leser-Kommentare unter Blog- oder Newsartikeln sind nicht erst seit gestern ein Thema. Und ein hitziges noch dazu. Erinnert sei beispielsweise an das Abschalten der Kommentarfunktion bei Engadget, Andrés „Danke für das ‚Arschloch‘„-Artikel oder zuletzt Jürgens Überlegungen darüber, ob (Blog)-Kommentare nun ein Fluch oder ein Segen sind. Im Kern geht’s bei der Debatte immer um das Gleiche: Wie geht man mit den meist anonym verfassten Beiträgen um, die gegen die Grundregeln eines gepflegten Miteinanders verstoßen? Löschen? Kommentarfunktion deaktivieren? Anmeldepflicht einführen? Ich will die Debatte hier nicht erneut aufleben lassen, sondern auf einen Lösungsansatz verweisen, den unter anderen Vorzeichen und in einem radikalerem Umfang das Magazin FHM im Juli dieses Jahres beschritten hat, und dem nun stern.de in gewisser Weise folgt.
Er sieht so aus, dass man sich in der Redaktion dazu entschlossen hat, die „Kommentarfunktion auf stern.de vorerst nicht mehr anzubieten“. Dies hat die Produktmanagerin des News-Portals, Katarina Rathert, in einem Interview mit Dirk von Gehlen geäußert. Allerdings fällt die Funktion nicht ersatzlos weg, sondern man ist dabei, „den Umgang mit Kommentaren auf stern.de neu zu konzipieren“, so Rathert. Und das bedeutet im Klartext, dass Leser ihre Meinung zu den Artikeln künftig nur noch auf Facebook hinterlassen können. Kommentar-Outsourcing, sozusagen.
Der durchaus nachvollziehbare Grund für dieses Vorgehen ist der oben genannte:
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Wir haben in den letzten Monaten vor allem im Vergleich zu den Diskussionen auf Facebook starke qualitative Unterschiede der Userbeiträge festgestellt. Anonym abgegebene Kommentare, die sich nicht an ein Mindestmaß der Regeln des menschlichen Miteinanders halten, haben uns die Arbeit zunehmend erschwert. Wir mussten Diskussionen ständig mit Ermahnungen unterbrechen, extreme Beiträge löschen und themenfremde Auseinandersetzungen über regelkonformes Verhalten führen. Viele Leser haben uns immer wieder gebeten, die Kommentare lieber ganz auszuschalten. Eine freie und lebendige Diskussion war kaum mehr möglich, und wir waren mit der Verwaltung von Usern beschäftigt, die bewusst darauf aus waren, zu stören.
Der Vorteile leuchten auch ein:
Auf Facebook einer Seite zu sagen „gefällt mir“ und sich dort aktiv zu beteiligen ist ein Statement. Das gesamte eigene Netzwerk, welches zumeist aus Freunden, meist auch Arbeitskollegen oder Geschäftspartnern besteht, kann dies sehen und mitverfolgen. Da überlege ich mir sehr genau, was ich schreibe und wie ich es formuliere. Wenn wir doch mal Kommentare erhalten, die unter die Gürtellinie gehen, regulieren die User das sehr schnell untereinander, so dass auch kontroverse Debatten nicht abrutschen. Wir stellen immer wieder fest, dass unsere Facebook-User uns offen gegenüber stehen – was nicht heißt, dass wir nicht auch Kritik einstecken müssen. Aber wir haben die Möglichkeit, Entscheidungen transparent zu machen und darüber in den Dialog mit den Leuten zu treten, die das respektvoll bewerten.
Nichtsdestotrotz empfinde ich den Schritt als Fehler. Und zwar aus mehreren Gründen, die in dem Interview zum Teil auch anklingen.
So macht sich natürlich jeder, der einen Teil seines Contents auf fremden Servern hostet, von dem Drittanbieter abhängig. Zum Content zähle ich in diesem Kontext nicht in erster Linie die Artikel, da sie dort ja quasi nur angeteasert werden und man als Leser bei Interesse auf den Originalartikel umgeleitet wird. Es geht mir vielmehr um die Kommentare (wenngleich das für ein Blog sicherlich stärker zutrifft), von denen es auf den stern.de-Servern kein Backup gibt. Mal angenommen, Facebook ändert irgendwann seine Datenschutzbestimmungen oder Nutzungsbedingungen derart, dass sie für das News-Portal nicht mehr tragbar sind und man verabschiedet sich von dem Sozialen Netzwerk, dann sind die Kommentare futsch. Oder sie werden durch ein Computerproblem, einen Hacker oder sonst irgendein Unglück gelöscht. Kann bei stern.de natürlich auch passieren, wäre dann aber eine andere Geschichte, da man es selbst zu verantworten hätte.
Ein für mich viel wichtigeres Argument ist aber, dass es sicherlich viele Menschen unter den stern.de-Lesern gibt, die schlicht und ergreifend kein Interesse daran haben, sich auf Facebook anzumelden. Die aber gerne Artikel kommentieren. Da dürfte es zum einen jene geben, die das Netzwerk grundsätzlich ablehnen, aus welchen Gründen auch immer. Dann wiederum solche, denen es zu umständlich ist, sich dort anzumelden und denen die Plattform gegebenenfalls sogar zu kompliziert ist. Soweit ich es im Übrigen überblicke, gibt es unter den stern.de-Artikeln keinen Hinweis darauf, dass man als Leser die Artikel auf Facebook kommentieren kann – geschweige einen Hinweis darauf, wie das zu bewerkstelligen sei. Und dann gibt es schließlich jene, die einfach anonym kommentieren möchten.
Bei Letztgenannten denke ich keinesfalls an die Trolle, die mit ihren nervigen, geistlosen Ergüssen jedem Autor das Leben zur Hölle machen können. Sondern an jene, die aus bestimmten Gründen – sei es im Extremfall aus Angst vor Repressalien – ihre persönliche Meinung nicht unter ihrem Klarnamen kundtun möchten (die Möglichkeit von Fake-Accounts lasse ich mal außen vor). Viele von euch kennen den Spruch, dass das Internet nie beziehungsweise nichts vergisst. Und wer möchte in ein paar Jahren mit einem Kommentar konfrontiert werden – etwa vom neuen Chef, der sich im Rahmen einer Bewerbung ein wenig bei Facebook umgeschaut hat -, dessen Inhalt längst nicht mehr die eigene Weltsicht wiedergibt?
Rathert sieht diese Gefahr offenbar auch, redet sie sich aber schön. Auf die Frage, ob sie die Pflicht zu Klarnamen auf Facebook als Grund für die von ihr attestierte höhere Qualität der Kommentare sehe, antwortet sie:
Auf jeden Fall und die damit einhergehende soziale Kontrolle: jeder kann sehen, was und wie ich es geschrieben habe, zu welchen Themen ich was sage. Da will ich mir sicher sein, dazu auch stehen zu können und mich nicht zu blamieren oder dem Spott meiner Freunde auszusetzen.
Das bedarf in meinen Augen keines weiteren Kommentars.
Obwohl oder besser weil ich Rathers Einschätzung teile, dass Kommentare sich als „Feedback- und Ideentool“ etabliert haben und zu Diskussionen führen, die inhaltlichen Mehrwert schaffen und Spaß machen, kann ich deren Auslagerung zu Facebook durch stern.de nicht nachvollziehen. Zumindest dann nicht, wenn sie mit den oben vorgebrachten Argumenten verteidigt wird. Ich kann mich irren und tue es vielleicht auch, aber ich denke, dass die Zahl der „Qualitätskommentare“ dadurch nicht zunimmt – und den Verantwortlichen das im Grunde auch egal ist. Die Aussage: „Nachdem wir in den letzten Jahren darüber diskutiert haben, ob Kommentare sein müssen, haben sich diese nun endlich etabliert“ kann man auch so deuten, dass man sich bei stern.de damit abgefunden hatte, dass es sie gibt. Und man versuchte bisher trotz der oben beschriebenen Widrigkeiten das Beste draus zu machen. Jetzt hat man aber eine Lösung gefunden, mit der man zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen kann. Zum einen werden die Kommentare künftig, wie oben erwähnt, von den Facebook-Mitgliedern „kontrolliert“, wodurch Geld eingespart werden kann. Gleichzeitig aber kann auf Facebook auch Geld verdient werden.
Mir ist keine News-Seite bekannt, die nicht über rückläufige Einnahmen durch Online-Werbung klagen würde. Gleichzeitig ist Facebook diejenige Plattform, auf der Werbung offenbar noch richtig gut läuft. Einige der Gründe dafür habe ich in meinem Artikel zu den Werbeeinnahmen des Social Networks bereits beschrieben. Die wichtigsten dürften das „Selbstbedienungs-Werbesystem“ der Plattform sowie ihre große, heterogene User-Zahl sein. Na und wenn Rather davon spricht, dass Entscheider „zunehmend den Wert der Meinung ihrer Kunden“ sehen, dann klingt das für mich doch sehr stark danach, als sollte hier der Versuch unternommen werden, kommentarwillige User für Monetarisierungszwecke zu instrumentalisieren.
Smarte Idee, traurige Entwicklung.
(Marek Hoffmann)
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